PRESSEERKLÄRUNG
Internationale Mission macht auf die kritische Menschenrechtslage im
unteren Aguán-Tal aufmerksam
Vom
25. Februar bis zum 4.
März
2011 untersuchte eine internationale Mission aus sechs
internationalen Netzwerken und Organisationen1
mit Unterstützung mehrerer honduranischer Organisationen2
die Menschenrechtssituation im unteren Aguán-Tal vor Ort. Dabei traf
sie mit mehreren Campesino-Organisationen und Gemeinschaften sowie
mit Behörden und Institutionen wie der Staatsanwaltschaft, Richtern
und der regionalen Vertretung des honduranischen
landwirtschaftlichen Forschungsinstituts (INA) zusammen. Hinzu kamen
Gespräche mit Vertretern der internationalen Gemeinschaft, der
Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte und der
Wahrheitskommission.
Auf
Grund ihrer Beobachtungen kommt die internationale Mission zu dem
Schluss, dass die Menschenrechtslage im unteren Aguán-Tal kritisch
ist. Folgende Schwerpunkte lassen sich feststellen:
-
Bisher wurden seit Januar 2010 insgesamt 19 Campesinos, die
Organisationen im unteren Aguán-Tal angehörten, ermordet. Nach
Angaben der Staatsanwaltschaft wurde bisher in keinem dieser
Fälle ein Haftbefehl ausgestellt. In den meisten Fällen fanden
nicht einmal die ersten Ermittlungen statt, weshalb das Risiko
gross ist, dass kein einziger der genannten Fälle geahndet wird.
-
Verletzungen aller Art des Rechts auf körperliche Unversehrtheit
einschliesslich kontinuierlicher Bedrohungen und Verfolgungen
von Führern und Mitgliedern der Campesino-Organisationen durch
Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte, aber auch durch
private Sicherheitsdienste, die die Liegenschaften der
Grossgrundbesitzer in der Region bewachen. Die Mission wurde
darüberhinaus über Fälle von Entführungen, Folter, mehrfacher
Körperverletzung und sexuellem Missbrauch informiert.
-
Unter offener Missachtung des Völkerrechts und der Bestimmungen
über ein rechtmässiges Verfahren werden weiterhin
Campesino-Siedlungen zwangsweise geräumt und dabei das Recht auf
Ernährung, Wohnung und Gesundheit verletzt.
-
Nichterfüllung der rechtlichen Bestimmungen sowie der
politischen Vereinbarungen, nach denen die Staatsdienststellen
verpflichtet sind, das gesamte Gelände des ehemaligen regionalen
militärischen Ausbildungszentrums (CREM) an die in der
Campesino-Bewegung des Aguán (MCA) zusammengefassten Betriebe
der Campesinos zu übergeben, bis zum 13. April 2011 den
Genossenschaften der Vereinigten Campesino-Bewegung des Aguán
(MUCA) insgesamt 11.000 Hektar Land zur übertragen, und die
Rechtsansprüche der Kooperativen der Authentischen Bewegung zur
Verteidigung der Campesinos des Aguán (MARCA) auf ihr Land
anzuerkennen und zu garantieren.
-
Auch die in der Vereinbarung mit MUCA eingegangenen
Verpflichtungen zur Sicherstellung des Rechts auf Bildung,
Gesundheit und Wohnung wurden bisher nicht eingehalten.
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An
die Stelle einer eindeutigen Politik und klarer Massnahmen zur
Lösung der Landproblematik in dem Gebiet tritt zunehmend ein
Prozess der Stigmatisierung und Kriminalisierung des Widerstands
der Campesinos mit willkürlichen Festnahmen, 162 vor Gericht
gestellten Personen und einer systematischen Verfolgung der
Campesino-Führung.
ZUSAMMENFASSUNG:
Die
Mission stellt mit Sorge fest, dass die Repression und
Gewaltanwendung gegen Mitglieder der Campesino-Gemeinschaften und
Organisationen, die angesichts des unzureichenden Eingreifens der
Behörden ohne jeden Schutz leben, ungebrochen ist. Die im unteren
Aguán-Tal verübten Kapitalverbrechen bleiben voraussichtlich
ungeahndet, wodurch erneute Menschenrechtsverletzungen erleichtert
werden.
Angesichts dieser Situation ruft die Mission die honduranischen
Behörden auf, ihrer Verpflichtung zur Aufklärung und Bestrafung
aller Morde und anderen Verbrechen an Campesinos des unteren
Aguán-Tals nachzukommen und sicherzustellen, dass die materiellen
und intellektuellen Autoren vor Gericht gestellt werden. Weiterhin
ruft sie die Behörden auf, unverzüglich die Repression und
Gewaltanwendung gegen die Campesino-Bewegung einzustellen und
wirksame Massnahmen zum Schutz von Personen zu ergreifen, deren
Leben in Gefahr ist. Ausserdem fordert sie sie auf, die bestehenden
rechtlichen Bestimmungen und die abgeschlossenen politischen
Vereinbarungen einzuhalten, mit denen der Zugang zu Land,
Gesundheit, Bildung und Wohnraum für die Gemeinschaften
sichergestellt werden soll, die weiterhin unter prekären
Verhältnissen leben.
Es ist
notwendig, die ländliche Entwicklung weg von einem auf Agro-Business
und zunehmende Landkonzentration ausgerichteten Ansatz auf eine
Politik umzuorientieren, die eine nachhaltige
Campesino-Landwirtschaft fördert und eine umfassende Landreform
vorantreibt, die in Honduras von der Verfassung vorgeschrieben ist.
Vor
diesem Hintergrund kommt der internationalen Gemeinschaft eine
wesentliche Rolle beim Schutz und bei der Durchsetzung der
Menschenrechte zu. Dazu gehört auch, dass die diplomatischen
Vertreter durch konkrete, nachdrückliche Massnahmen vor allem
bezüglich des unteren Aguán-Tals zu einem verbesserten Schutz von
gefährdeten Personen beitragen, indem sie sicherstellen, dass ihre
Kooperation an die uneingeschränkte Einhaltung der Menschenrechte
geknüpft wird.
Die
internationale Gemeinschaft muss weiterhin sicherstellen, dass die
finanzielle Kooperation mit dem Staat oder mit Privatunternehmen
nicht zur Verletzung von Menschenrechten beiträgt. Deshalb rufen wir
die beteiligten Parteien von bilateralen Kooperationsvereinbarungen
sowie die multilateral agierenden Banken dazu auf, im konkreten Fall
des unteren Aguán-Tals sämtliche Vereinbarungen über finanzielle
Zusammenarbeit mit staatlichen Sicherheitskräften und privaten
Sicherheitsdiensten zu überprüfen, die vermutlich an Gewalttaten,
Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen in der Region beteiligt
waren.
Die an
der Mission beteiligten internationalen Organisationen werden die
Ergebnisse dieser Untersuchung in einem Bericht veröffentlichen, der
der Wahrheitskommission, der Interamerikanischen Kommission für
Menschenrechte, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der
Europäischen Union und dem Internationalen Strafgerichtshof
übergeben wird.
Gleichzeitig werden sie die weitere Entwicklung sehr
genau beobachten und den Kampf für die Menschenrechte und gegen die
Straffreiheit im unteren Aguán-Tail und im ganzen Land begleiten.
Tegucigalpa, 4. März 2011
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