Den Mitgliedern
der internationalen Mission unter Beteiligung der Rel-UITA bot sich ein
Panorama, bei dem die Besorgnis erregende Missachtung und das Fehlen minimaler
Grundrechte auffällt. Das untere Aguán-Tal im Nordosten von Honduras ist das
Land der Ölpalmen und ansonsten Niemandsland.
Fehlende
Strafverfolgung von Gewalt und systematischer, gezielter Mord, Verfolgung durch
die Justiz, Leben auf engstem Raum, fehlender Zugang zu lebensnotwendigen
Dienstleistungen und absolute Nichteinhaltung der mit der Regierung getroffenen
Vereinbarungen sind der gemeinsame Nenner der Beschwerden hunderter
Campesino-Familien, die im unteren Aguán-Tal für ihr Land und ein
menschenwürdiges Leben kämpfen.
Die Mission aus
Vertretern mehrerer honduranischer und internationaler Organisationen1
besuchte während der ersten Tage ihres Aufenthalts die Siedlungen der
Vereinigten Campesino-Bewegung des Aguán (MUCA) und sprach mit den
Anwälten der Opfer sowie mit Mitgliedern der Authentischen Bewegung zur
Verteidigung der Campesionos des Aguán (MARCA).
Die Arbeit der
Missionsmitglieder stand durchgehend im Zeichen der allgegenwärtigen Gewalt und
Straffreiheit, gleichzeitig aber auch unter dem Eindruck der Bereitschaft der
Menschen, die von sich aus berichteten, ihre Rechte zu verteidigen.
“Unsere Lage ist
sehr schwierig. Wir haben Vereinbarungen mit der Regierung abgeschlossen, die
von ihr nicht eingehalten werden. Wir haben keinen Landbesitz und leben in
prekären Behausungen aus Plastik, viele Kinder sind krank und haben keine
Möglichkeit, in die Schule zu gehen”, erklärte Ricardo Morales, ein
Bewohner der Siedlung La Lempira, gegenüber Sirel.
“Wir sind über 300
Familien und bauen Nahrungsmittel an; um überleben zu können, ernten wir die
Frucht der Ölpalmen. Wir sind andauernd der Verfolgung durch die privaten
Sicherheitsdienste von Miguel Facussé ausgesetzt.
Nach 6 Uhr
nachmittags können wir die Siedlung nicht mehr verlassen, weil wir umzingelt
werden. Sie bedrohen uns, legen auf uns an und geben Warnschüsse ab.
Es geht einfach
nicht, dass eine Person Eigentümer des ganzen Landes ist und uns das Recht zu
arbeiten und menschenwürdig zu leben verweigert wird", betonte Morales.
Immer wieder
kommen die Menschen auf die Drohungen, Verfolgungen und Tötungen zu sprechen.
Margarita Méndez Ramírez berichtet unter Tränen von dem Moment, an dem ein
gedungener Mörder ihren Mann, José Leonel Guerra, ein MUCA-Mitglied,
vor den entsetzten Augen ihrer Töchter, umbrachte.
“Er stand auf,
weil er seine Mutter besuchen wollte, und als er auf die Strasse trat, fuhr ein
Mann auf einem Motorrad vorbei und schoss auf ihn. Sie haben ihn vor unseren
Töchtern getötet, sie haben alles gesehen. Ich bin hingelaufen, konnte aber
nichts machen. Unsere vierte Tochter ist erst vor wenigen Tagen auf die Welt
gekommen.
Wir haben Anzeige
erstattet, aber bei der Staatsanwaltschaft ist niemand dem Fall nachgegangen, um
den Täter für dieses Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Land kann
man der Justiz nicht trauen”, meinte Méndez Ramírez.
Straffreiheit und Verfolgung durch die Justiz
Nach Aussage des
Anwalts, der mit den zahllosen Strafverfahren gegen die Mitglieder der
Campesino-Bewegung befasst ist, sind Straffreiheit und Verfolgung durch die
Justiz für die Lage im unteren Aguán-Tal charakteristisch, während die Menschen
schutzlos ausgeliefert sind.
“Der Kampf der
Campesinos wurde kriminalisiert. Wir haben die Freilassung von 80 Kollegen
durchgesetzt, aber gegen manche liegen bis zu sieben Anzeigen vor, und bisher
wurden seit Januar 2010 162 Campesinos verurteilt.”
Der Anwalt, der zu
seiner eigenen Sicherheit anonym bleiben wollte, vertrat ausserdem die Ansicht,
dass die Staatsanwaltschaft die Rolle einer “Speerspitze” der Grossgrundbesitzer
übernommen hat und so zu einer Art Bevollmächtigten der Palmplantagenbesitzer
wurde.
“Vor allem in der
Stadt Trujillo sind die Staatsanwälte äusserst aggressiv, wenn sie verhören, sie
wollen die Abwehr der Campesinos um jeden Preis brechen. Justiz und
Staatsanwaltschaft betreiben hier die Kriminalisierung der sozialen Proteste,
sie sind Instrumente in der Hand der Agroindustriellen", stellte der Anwalt
abschliessend fest.
Kurz vor der
Beendigung dieses Artikels erreichte uns die Mitteilung, dass Matias Valle,
ein Mitglied des MUCA-Vorstands, wegen illegalem Waffenbesitz ins
Zentralgefängnis von Támara gebracht wurde.
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