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    Brasilien

 

 

 

Mit Lucilene Binsfield

Brutale Reaktion von Carrefour auf friedliche Arbeitnehmerdemonstration

 

 

Die brasilianische Gewerkschaft Handel und Dienstleistungen (CONTRACS), eine MItgliedsorganisation der UITA, hatte gemeinsam mit den Gewerkschaften von Carrefour für den 30. August zu einer Kundgebung vor dem Werk des französischen transnationalen Unternehmens in Osasco im Bundesstaat Sao Paulo aufgerufen, um für eine angemessene Beteiligung am Firmengewinn zu demonstrieren. Im Verlauf der Kundgebung wurden die Demonstranten von der Polizei gewaltsam angegriffen, einige Gewerkschaftsführer wurden festgenommen. Sirel sprach mit der CONTRACS - Vorsitzenden Lucilene Binsfield, die über die Ereignisse berichtet und Schritte der Gewerkschaftsbewegung gegen das unannehmbare Vorgehen von Carrefour ankündigt.

  

 

-Wie waren bisher die Beziehungen zwischen CONTRACS und Carrefour?

-Der Gewerkschaftsverband CUT hat ein Projekt unter dem Namen CUTMULTI ausgearbeitet, das sich gezielt mit transnationalen Unternehmen beschäftigt. CONTRACS wird dabei  unter anderem zu Carrefour und Wal Mart arbeiten.

In diesem Rahmen forderten die Gewerkschaftsvertreter vor allem, über einen Plan zur Gewinn- und Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer zu sprechen. Zu Beginn der Verhandlungen mit der Firma haben wir darauf bestanden, dass die Geschäftsführung von Carrefour die notwendigen Angaben vorlegte, aus denen hervorgehen müsste, dass das Unternehmen das von ihm selbst – im Rahmen seines Vorschlags – gemachte Angebot erfüllen könnte.

Bis zu diesem Moment bestand ein gutes Verhältnis zur Gewerkschaft, das jedoch zunehmend gespannter wurde, als sich die Firma weigerte, irgendwelche Angaben vorzulegen. Das kam uns merkwürdig vor; wie sollten wir so überprüfen, ob die Zielvorgaben für eine Gewinn- und Ertragsbeteiligung realistisch waren?  

Ab diesem Zeitpunkt richtete sich das Unternehmen per E-Mail an CONTRACS und forderte uns auf, seinen Vorschlag ohne weitere Diskussion anzunehmen; andernfalls würde es sich von den Verhandlungen zurückziehen. Darüber haben wir im Carrefour – Gewerkschaftsnetzwerk gesprochen und anschlieβend beschlossen, in Osasco eine friedliche Kundgebung durchzuführen.

 

-Wie lief die Kundgebung ab?

-Wir haben uns mit unseren Fahnen vor drei Werkstoren versammelt und Kundgebungen durchgeführt, bei denen wir die Geschäftsführung zu einer Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Gewerkschaftsführung aufforderten. Irgendwann haben wir dann beschlossen, uns vor einem einzigen Tor, dem Kundeneingang, zu versammeln. Unsere Absicht war es, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen und ihnen die Lage der Beschäftigten im Werk zu erklären. In diesem Moment rief die Geschäftsführung die Militärpolizei, die direkt nach ihrem Eintreffen die Demonstranten brutal angriff. Das war eindeutig Machtmissbrauch, sie haben die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Pfefferspray angegriffen und mit Schlagstöcken bedroht, und in einigen Fällen wurden sogar Kollegen geschlagen. Obwohl wir nur sprechen wollten, bekamen wir nichts als unbegründete Gewalt zu spüren, und das nachdem wir mitgeteilt hatten, dass die Kundgebung um 10 Uhr zu Ende gehen würde. Nur vier Minuten vor Ende griffen drei Polizisten unseren Kollegen Alci Matos, den Sekretär für internationale Beziehungen der CONTRACS, an und nahmen ihn gewaltsam fest, wobei sie ihn schlugen und ihm Handschellen anlegten, während sich die übrigen Polizisten dazwischen stellten um zu verhindern, dass sich die Demonstranten näherten. Wir haben sie aufgefordert ihn freizulassen, da wir ja schon gingen, fanden aber keine Gehör.

 

 

-Wie geht es dem Kollegen Alci jetzt?

-Unter dem Vorwand, er habe sich der Verhaftung und der Staatsgewalt widersetzt, haben sie ihn ins Gefängnis gebracht. Die Anschuldigungen sind vollkommen unzutreffend; sie haben ihn nicht einmal aufgefordert, stehen zu bleiben, sondern haben ihn einfach gegriffen und geschlagen. Nachdem die Gewerkschaft ihren Anwalt eingeschaltet hatte, wurde er noch am selben Tag nach einer amtsärztlichen Untersuchung freigelassen. Aufgrund des gewalttätigen Angriffs steht der Kollege aber noch unter Schock.

 

-Was hat CONTRACS daraufhin unternommen?

-Im Fall des Kollegen Alci haben wir Strafanzeige erstattet. Auβerdem haben wir zusammen mit der Führungsspitze der CUT um ein Gespräch mit dem Ministerium für öffentliche Sicherheit des Bundesstaats Sao Paulo gebeten, um mit Hilfe unserer Videos und Aufnahmen von der Kundgebung zu belegen, dass es eine friedliche Demonstration war und es für eine derart massive Gewaltanwendung durch die Militärpolizei keinen Anlass gab. Unabhängig von der Vorgehensweise der Polizei ist die Haltung des transnationalen Unternehmens Carrefour besonders dramatisch; die Firma weigert sich zu verhandeln und glaubt, so eine Lösung finden zu können.

Andererseits rufen wir alle Mitgliedsorganisationen, aber auch die internationalen Dachverbände UITA und UNI auf, sich an der Kampagne zu beteiligen, indem sie Mails an das Unternehmen schicken, in denen sie sein Vorgehen kritisieren und es zum Rückkehr an den Verhandlungstisch auffordern.  

Gemeinsam mit der Dachorganisation der CUT schicken wir auch der CFDT in Frankreich eine Videoaufzeichnung der Demonstration an die französische Hauptzentrale von Carrefour, damit sie in die Beschäftigungspolitik ihrer Filiale in Brasilien eingreifen.

 

-Bis wann erwartet ihr eine Antwort von Carrefour?

-Bis spätestens Mitte September, denn sobald die Briefe aus dem ganzen Land und aus aller Welt bei der Geschäftsführung eintreffen, muss sie auf unseren Vorschlag eingehen, die Verhandlungen wieder aufnehmen und uns eine Erklärung geben. Sonst müssen wir uns über eine neue Handlungsstrategie zum Umgang mit der Situation Gedanken machen.

 

 

 

Amalia Antúnez, Montevideo

© Rel-UITA

6. September 2007

 

 

 

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