-Wie schätzt du die Kundgebung vor dem CARGILL –
Werk in Sidrolandia ein?
-Bei der Kundgebung ging es vor allem um zwei Dinge:
zum Einen, die Würde des indigenen Terena-Volks
angesichts des barbarischen Vorgehens des
Unternehmens wieder herzustellen, nachdem am 28.
März in dem Werk einer seiner Angehörigen, MARCOS ANTONIO
PEDRO,
bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen
war. Und als ob das noch nicht genug wäre, erklärte
CARGILL später, dass sein Tod nicht auf einen
Unfall zurück zu führen sei, sondern Selbstmord
gewesen sei.
CARGILL
gibt damit dem Opfer die Verantwortung und verletzt
so noch einmal die Kultur und das Empfinden der
Terena.
Zum Anderen belegte die Kundgebung erfolgreich die
Bestürzung und Unzufriedenheit der Kolleginnen und
Kollegen wegen der zahlreichen Arbeitsunfälle und
arbeitsbedingten Krankheitsfälle im Werk Sidrolandia,
angesichts derer das transnationale Unternehmen
dieselben Methoden gebraucht wie nach dem Tod von
Marcos Antonio Pedro. Wir konnten vor Ort
einen typischen Fall beobachten: die Kündigung aus
einem berechtigten Grund (und ohne Rechtsansprüche)
einer schwangeren Arbeitnehmerin, obwohl schwangere
Frauen nach brasilianischem Recht Kündigungsschutz
genieβen.
-Wann liegt ein berechtigter Kündigungsgrund vor?
Etwa bei einem schweren Verstoβ
wie z.B. einem Diebstahl?
-Ja,
oder wenn das Unternehmen den Beschäftigten
betrunken am Arbeitsplatz vorfindet, oder bei
ähnlich schwerwiegenden Verstöβen.
Bei CARGILL ist es nun so, dass die Firma
ganz genau weiβ,
dass sie vor Gericht alle Prozesse mit dieser
Begründung verlieren wird. Deshalb wandelt sie zu
einem späteren Zeitpunkt die gerechtfertigte
Kündigung ohne Ansprüche um in eine Kündigung mit
Rechtsansprüchen, allerdings ohne der verunglückten
Person oder der schwangeren Frau ihren stabilen
Arbeitsplatz zurück zu geben. Damit schafft sich die
Firma diese Beschäftigten vom Hals, wie sie es von
Anfang an vorhatte.
-Ist das so üblich in Brasilien?
-Nein, in der Lebensmittelindustrie ist es das
einzige Unternehmen, das so vorgeht, um sich aus
seiner Verantwortung gegenüber kranken und
verletzten Kolleginnen und Kollegen zu stehlen.
Wenn ein Unternehmen so mit Kranken und Schwangeren
verfährt, kann man sich vielleicht vorstellen, wie
mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der
Fabrik umgegangen wird.
-Zum Abschluss der Kundgebung wurde einstimmig ein
Forderungskatalog für Verhandlungen mit der Firma
und dem nationalen Beschäftigtenkomitee von CARGILL
angenommen. Was sind seine wichtigsten Punkte?
-Reduzierung des Arbeitstempos; Reduzierung der
Arbeitszeit auf täglich sechs Stunden; Anerkennung
der vom Gewerkschaftsarzt ausgestellten
Krankheitsbescheinigungen; Gründung eines
Betriebskomitees im CARGILL – Werk und
Schluss mit dem “Krankenlager” im Werk, oder anders
gesagt: Verletzte Beschäftigte gehören nicht in die
Firma und müssen den Sozialversicherungsschutz in
Anspruch nehmen können.
-Und die nächsten Schritte?
-Nach diesem wichtigen Ereignis mit Hunderten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen wir sehen,
ob CARGILL unsere Forderungen erfüllt; wenn
nicht, beginnen wir einen unbefristeten Streik in
allen brasilianischen Werken dieses transnationalen
Unternehmens.
Gerardo
Iglesias,
Sidrolandia
© Rel-UITA
23. Juli
2007 |
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