Zwei Wochen
nach dem Staatsstreich erscheint das zentralamerikanische Land bereits nicht
mehr in den Schlagzeilen der internationalen Medien. Gleichzeitig wird die
Repression stärker. In San Pedro Sula wurde ein früherer Gewerkschaftsführer und
Widerstandskämpfer ermordet.
Carlos Reyes |
Das
Normalisierungsmanöver, dem auch der Vermittlungsprozess
zuzurechnen sein dürfte, der zur Zeit mit Hilfe des
US-State Department in Costa Rica stattfindet, und der
Abzug der Medien könnten in eine massive Unterdrückung
der Basisorganisationen der Bevölkerung einmünden, die
weiterhin die Wiederherstellung der demokratischen
Ordnung fordern. |
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Seit dem ersten
Tag des Staatsstreichs von Zivilisten und Streitkräften beabsichtigt die
De-facto-Regierung, über ihre Medienpolitik ein Bild der Normalität zu
vermitteln. Aus der Sicht dieser Regierung sind die Massendemonstrationen und
–proteste lediglich Äusserungen von “ein paar Verrückten”, die nicht bereit
sind, sich mit den neuen Realitäten abzufinden.
Das
Normalisierungsmanöver, dem auch der Vermittlungsprozess zuzurechnen sein
dürfte, der zur Zeit mit Hilfe des US-State Department in Costa Rica
stattfindet, und der Abzug der Medien könnten in eine massive Unterdrückung der
Basisorganisationen der Bevölkerung einmünden, die weiterhin die
Wiederherstellung der demokratischen Ordnung fordern.
Nach der
internationalen Verurteilung, nach dem von grossen Erwartungen begleiteten
Versuch von Präsident José Manuel Zelaya, in sein Land
zurückzukehren, und angesichts des gescheiterten Vermittlungsprozesses in
Costa Rica haben die wichtigsten internationalen Medien das Land verlassen.
Die Telefone sind ruhiger geworden, und bei den internationalen
Nachrichtenagenturen nehmen Meldungen aus Honduras nur noch wenige Zeilen
ein.
Die anhaltenden Demonstrationen von
zivilgesellschaftlichen, Basis- und Gewerkschaftsorganisationen sind keine
Nachricht mehr, und für die im Land verbliebenen internationalen Medien ist die
Lage sehr gefährlich geworden.
Gestern Morgen
wurden die Reporter-Teams der Sender TeleSur und
Venezolana de Televisión (VTV)
zunächst festgenommen und anschliessend daran gehindert, das Hotel zu verlassen
und ihr Recht wahrzunehmen, über die Ereignisse des heutigen Tages zu
informieren. Wie sie weiter berichteten, versuchten die Polizeibeamten sie
einzuschüchtern, als sie sie aufforderten, direkt zum Flughafen zu fahren, „denn
hier gibt es nichts zu schreiben, hier gibt es nichts zu berichten“.
Mit Blick auf die
von den Basisorganisationen geplanten Massenkundgebungen nach dem Beispiel der
Demonstrationen vom Wochenende im Gedenken an den getöteten Isis Obed Murillo
und im zentralen Park von Tegucigalpa und angesichts des nachlassenden
Interesses der internationalen Medien warnen die Koordinatoren des
Widerstandsbündnisses Frente Nacional Contra el Golpe de Estado vor einer
Repressionswelle.
Am Abend des
11. Juli
wurde Roger Bados, Aktivist des Bloque Popular, ein
ehemaliger Textilgewerkschaftsführer und Vorstandsmitglied des
Gewerkschaftsbunds von Honduras (FUTH),
von Unbekannten vor seinem Haus in
San Pedro Sula im Norden
des Landes getötet. Jetzt ist zu befürchten, dass dieser Anschlag den Beginn
eines Plans zur Tötung der mittleren Funktionärsebene darstellen könnte, um die
Bevölkerung einzuschüchtern.
In diesem Kontext,
in dem die internationale Gemeinschaft nicht bereit zu sein scheint, ihren
Worten Taten folgen zu lassen, und sich darauf versteift, einen aussichtslosen
und offensichtlich durch die Zweideutigkeit der US-Regierung belasteten
Vermittlungsprozess fortzuführen, sprach Sirel mit dem Generalsekretär
der Gewerkschaft der Getränkeindustrie (STIBYS) und Mitglied des
Internationalen Exekutivkomitees der IUL, Carlos H. Reyes.
-Nach zwei Wochen Widerstand und Kampf, nach den äusserst schwierigen Tagen, in
denen sich die Bevölkerung dem Staatsstreich und der Repression widersetzt hat:
Wie schätzt du diesen Einsatz ein?
-Im
politischen Kampf der Basisbewegung der Bevölkerung hat es sehr wichtige
qualitative Veränderungen gegeben. Ohne das nationale Widerstandsbündnis
Coordinadora
Nacional de Resistencia Popular,
das Rückgrat der gesamten Widerstandsbewegung gegen den Staatsstreich, wären die
Widerstandsaktionen unmöglich gewesen. Nur so waren wir in der Lage, den Schock
angesichts des Staatsstreichs und die Angst vor der Verfolgungswelle der
De-facto-Regierung zu überwinden, die grösste Demonstration in der Geschichte
des Landes zu organisieren und weitere Aktionen wie Strassenblockaden,
Demonstrationen, Mahnwachen sowie politische und kulturelle Veranstaltungen
durchzuführen.
-Stehen wir vor einer Verstärkung der Repression?
-Die Putschisten
sind sich darüber im Klaren, dass sie uns nicht ausschalten konnten und dass der
Widerstand enorm ist.
Deshalb gibt es
Hinweise darauf, dass sie die Repression im Land verstärken wollen. Am Sonntag,
dem 5. Juli
wurde ein junger Mann, Isis Obed Murillo, in der Nähe des Flughafens
umgebracht, und am vergangenen Samstag haben sie Roger Bados, einen
ehemaligen Gewerkschaftsführer der FUTH und Aktivist des Bloque
Popular, in San Pedro Sula ermordet. Uns ist auch bekannt, dass die Polizei
die Journalisten-Teams des Senders TeleSur und des venezolanischen
Fernsehsenders VTV aus dem Hotel geholt und sie aufgefordert hat,
Honduras zu verlassen.
Unserer Ansicht
nach sind diese Ereignisse ein Teil der Verfolgung in unserem Land, um uns
einzuschüchtern, damit wir den Widerstand aufgeben.
-Was ist für diese
Woche geplant?
-Im Rahmen unseres
Kampfes werden wir wieder zahlreiche Aktionen durchführen, denn wir stehen vor
einer sehr schwierigen Woche. Der Vermittlungsprozess in Costa Rica ist
gescheitert; wir haben schon immer gesagt, dass das Problem so nicht zu lösen
ist. Der Knackpunkt in dieser Krise ist das janusköpfige Auftreten der
Vereinigten Staaten, die einerseits den Staatsstreich verurteilen und die
Entschliessung der OAS mit tragen, gleichzeitig aber die Putschisten
unterstützen. Diese Situation müssen wir überwinden, und deshalb ist eine
Delegation des Bündnisses Frente Nacional Contra el Golpe de Estado zu
Gesprächen mit mehreren Senatoren in die Vereinigten Staaten
gereist.
-Die
De-facto-Regierung verfolgt eindeutig die Absicht, Honduras als ein Land
darzustellen, in dem nichts geschehen ist und alles ruhig bleibt.
Könnte die
nachlassende Präsenz der internationalen Medien diese Normalisierungsstrategie
erleichtern?
-In vielen Fällen
ziehen sich die Medien zurück, weil sie eingeschüchtert werden, und das belegt
die Absicht zu verbergen, was im Moment geschieht, und es zeigt, dass hier
tatsächlich ein Staatsstreich stattgefunden hat.
Das Musterbeispiel ist der Fall von TeleSur. Das muss
man international verurteilen, und weil es ein Hinweis auf eine Verschärfung der
Unterdrückung ist, müssen die Medien dann ins Land zurückkehren.
-Wie stehen die
Chancen für eine Fortsetzung der Kundgebungen auf den Strassen?
-Wir
fordern weiter die Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung im Land und
die Rückkehr von Präsident José Manuel Zelaya.
Zusätzlich zu den Anstrengungen des Präsidenten, die Länder zur Ausübung von
Druck auf die De-facto-Regierung zu veranlassen, sind für uns Aktionen der
Kolleginnen und Kollegen aus den Basisbewegungen Zentralamerikas an den Grenzen
wichtig. Ausserdem bitten wir die lateinamerikanischen Organisationen, aus
Solidarität mit dem Kampf des honduranischen Volks Druck auf unsere Botschaften
auszuüben. Diesen Kampf werden wir fortsetzen.
-Die UITA hat den
Ereignissen in Honduras oberste Priorität eingeräumt und ihre Solidarität mit
dem Widerstand von Basis- und Gewerkschaftsorganisationen bekräftigt.
Wie könnte sie
euch weiter unterstützen?
-Dank der Präsenz
der UITA war es in all diesen Tagen möglich, die internationale
Gewerkschaftsbewegung ununterbrochen so objektiv wie möglich über die Ereignisse
in Honduras zu informieren und zu berichten, dass der Widerstand weiter
geht.
Aber es gibt noch
ein grundsätzliches Problem: In Honduras ist es eine Straftat, die
Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu vertreten, es ist eine Straftat,
soziale Verbesserungen zu fordern. Deshalb unterstützen wir viele Massnahmen der
Regierung Zelaya, weil sie sich in diese Richtung bewegt hat, aber in
einem extrem rechts orientierten Land wie Honduras ist das ein Verbrechen
und sind wir Delinquenten. Trotzdem setzen wir unsere Arbeit und unseren Kampf
fort, und wir möchten, dass die UITA diese Botschaft international
verbreitet.
Das ist eine brutale Diktatur, und
uns steht eine noch weiter gehende Verfolgung durch dieselben Militärs bevor,
die schon in den 80er Jahren für schwerste Verbrechen verantwortlich waren.
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