Nach der
Pressekonferenz des verfassungsmässigen Staatspräsidenten von Honduras, Manuel
Zelaya Rosales, in der Botschaft seines Landes in Managua hatte ich Gelegenheit,
den Präsidenten und den Staatsminister im Präsidialamt, Enrique Flores Lanza, im
Wagen zu einem Gespräch mit internationalen Medien zu begleiten. In wenigen
Tagen, vielleicht auch nur Stunden, wird Präsident Zelaya seine Rückreise nach
Honduras antreten. Das Exklusivinterview mit Sirel fand zum Teil während der
Fahrt statt.
-Sie haben in den
letzten Tagen erklärt, Sie wollten unter allen Umständen nach Honduras
zurückkehren. Bleibt es
dabei?
-Das ist ja
nichts, womit das Land destabilisiert würde; vielmehr geht es um eine Lösung und
den Versuch, die Lage zu stabilisieren. Meiner Ansicht nach das ist der beste
Weg, um einen Dialog im Land in Gang zu setzen, mit dessen Hilfe der Konflikt
gelöst und die Verfolgung des honduranischen Volkes beendet werden kann.
-Dialog mit wem?
-Mit dem Volk,
schliesslich entscheidet in einer Demokratie das Volk. Bei den Sektoren an der
Macht, die zu den Waffen gegriffen haben, handelt es sich um repressive Gruppen,
die nicht länger ein Mandat ausüben können, das ihnen nicht vom Volk übertragen
wurde.
-Was hat Sie an
diesem Staatsstreich gegen Ihre Person und Ihre Regierung am meisten getroffen?
-Mir tut es weh,
das das Land zerstört wird, dass die Gesellschaft leidet, dass die Fortschritte,
die wir erzielt haben, und die Anstrengungen von Generationen mit Waffengewalt
zunichte gemacht werden sollen.
-Die
De-facto-Regierung ist international vollkommen isoliert und sieht sich im Land
einem starken, ungebrochenen Widerstand der Basisbewegungen der Bevölkerung
ausgesetzt. Trotzdem beharrt sie auf ihrer absolut unnachgiebigen Haltung.
Handelt es sich dabei Ihrer Meinung nach einfach um Verantwortungslosigkeit,
oder setzt sie auf Hilfe von aussen?
-Sie handelt wie
wilde Tiere, die ihre Beute verteidigen. Sie betrachtet Honduras als ihr
persönliches Eigentum. Es handelt sich um eine Gruppe von zehn Familien, die
versuchen, ihre Pfründe und Privilegien abzusichern. Dabei sind ihre
Befürchtungen unbegründet, denn niemand greift sie an. Trotzdem sehen sie den
demokratischen Entwicklungsprozess als eine Bedrohung und weigern sich, die
Demokratie zu akzeptieren.
-In der
Pressekonferenz haben Sie erklärt, politische Kräfte der US-amerikanischen
Rechten stünden hinter dem Staatsstreich und unterstützten ihn auch weiterhin.
Steht für Sie die
Beteiligung dieser Sektoren fest?
-Diese Personen,
darunter auch Mitglieder des US-Senats und Abgeordnetenhauses, haben den Putsch
in öffentlichen Erklärungen unterstützt. In den Vereinigten Staaten hat
Otto Reich, früher als Unterstaatssekretär für die westliche Welt
zuständig, den Putsch begrüsst, wie auch viele andere Vertreter. Es gibt also
Belege dafür, dass die Falken um den ehemaligen Präsidenten George W. Bush
hinter diesem Putsch stehen.
-Welche Rolle
spielen die zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Basisbewegungen gegen
die Vertiefung des Putschs?
-Sie sind die
Protagonisten der Verteidigung der Demokratie, weil sie die Ansicht vertreten,
dass die Demokratie ein Instrument zur Durchsetzung sozialer Verbesserungen ist.
Sie bekämpfen den Putsch und werden damit so lange weitermachen, bis die
Auswirkungen dieses Angriffs auf das honduranische Volk und die Demokratie aus
der Welt geschafft sind.
Die Putschisten
fordern die ganze Welt heraus.
Dagegen muss ein Präzedenzfall
geschaffen werden, bevor es zu spät ist.
-Die IUL
Lateinamerika hat vor, während und nach dem Putsch die Ereignisse aus der Sicht
der Basisbewegungen verfolgt. Für diese Organisationen kann es zu zwei Themen
keine Verhandlungen geben: die Ablehnung einer Amnestie für die Putschisten
sowie die Fortführung des Prozesses der vierten Wahlurne* und die Einberufung
einer Verfassungsgebenden Versammlung.
Wie beurteilen Sie diese beiden Punkte?
-Es wäre ein Witz,
wenn die Putschisten für den Staatsstreich belohnt würden. Ich glaube, die
Basisbewegungen wollen, dass der Konflikt gelöst wird, aber ohne eine Belohnung
oder Amnestie für die begangenen gemeinen und anderen strafrechtlich relevanten
Verbrechen. Meiner Ansicht nach ist in dem von Präsident Oscar Arias
vorgelegten Sieben-Punkte-Plan von einer politischen Amnestie die Rede, nicht
aber von einer Amnestie für gemeine und andere Verbrechen. Was die
Sozialreformen betrifft, sollte die Suche nach einer neuen Strategie zur
Fortsetzung dieser Reformen Teil eines umfassenden Diskussionsprozesses in der
honduranischen Gesellschaft sein. Weder die Sozialreformen noch das Recht der
Bevölkerung auf Partizipation dürfen gestoppt werden, sie sind in der Verfassung
verankert. Die von Oscar Arias vorgelegten Punkte sind nicht
ausdiskutiert worden, weil die Putschisten die Rückkehr zum demokratischen
System ablehnen. Sie wollen ein De-facto-Regime ohne Gesetze, und sie wollen es
mit Waffengewalt aufrechterhalten.
Das können wir nicht hinnehmen.
-Wiederholt wurde
darauf hingewiesen, dass zwei Elemente für eine Konfliktlösung grundlegend sind:
die Haltung der Vereinigten Staaten und die Rolle der Streitkräfte.
Was meinen Sie?
-Ich habe heute in
einem Schreiben Präsident Barack Obama höflich darum gebeten, die
Massnahmen gegen den repressiven Staat, aber auch gegen die Personen, die den
Staatsstreich vorbereitet und ausgeführt haben, zu verschärfen. Jetzt hoffen wir
auf eine baldige Antwort, um mit Hilfe der ergriffenen Massnahmen die
rechtsstaatliche Ordnung wieder herstellen zu können. Andernfalls wird die Lage
sehr schwierig, nicht nur für mich als denjenigen, der wegen seines Einsatzes
für die Rechte der Gesellschaft Opfer eines Putschs wurde, sondern für die
gesamte Bevölkerung. Ich denke, Präsident Obama verfügt nicht nur über
die nötigen diplomatischen Mechanismen, um Druck auszuüben, sondern auch über
andere nachhaltige Mittel, und ich hoffe, dass sowohl er als auch die Länder
Lateinamerikas sie einsetzen.
Was die
Streitkräfte angeht, denke ich, wir werden ihre Rolle überdenken müssen, wenn
sie sich damit beschäftigen, Staatsstreiche zu verüben. Ich bin allerdings der
Ansicht, dass dieser Putsch auf Anordnung der Führung der Streitkräfte erfolgte.
Die Offiziere und die kommende Generation, die einmal die blutbefleckten
Streitkräfte übernehmen werden, sind mit diesem Putsch nicht einverstanden.
-Der Zeitpunkt
Ihrer Rückkehr nach Honduras rückt näher. Befürchten Sie nicht, verhaftet oder
getötet zu werden?
-Davor fürchte ich
mich nicht, aber ich bin vorsichtig und treffe gewisse Vorkehrungen. Wenn es die
Umstände erfordern, erhält das Leben seinen Sinn durch den Einsatz und die
Entschädigung für diesen Einsatz. Manchmal muss man für die sozialen
Errungenschaften Opfer bringen, und ich bin zu diesem Einsatz für die Freiheit,
die Demokratie und den Frieden in der Bevölkerung bereit.
-Sie haben die
Medien gebeten, Sie bei dem Versuch, in Ihr Land zurückzukehren, zu begleiten.
Ist dieser Vorschlag ernst gemeint?
-Ich habe sie
gebeten, mich zu begleiten. Ich werde alles riskieren, und für die Welt steht
mit meiner Rückkehr ebenfalls alles auf dem Spiel. Wie ich bereits gesagt habe,
wird bei einem Anschlag auf mich als Präsidenten General Romeo Vásquez
Velásquez für meinen Tod verantwortlich sein.
|