sectores

Enviar este artículo por Correo ElectrónicoFrigoríficos                           

    Brasilien | Gefrierfleischfabriken

     

 

 Com Sandro Eduardo Sardá

Brasilien ist das China

des Geflügelsektors

 

Sardá ist nationaler Geschäftsführer des Projekts Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Gefrierfleischfabriken, ein Programm, das im Zuständigkeitsbereich der staatlichen Arbeitsanwaltschaft angesiedelt ist. Zugleich ist er Mitglied der permanenten drittelparitätisch besetzten Kommission, in der Staat, Unternehmer und Gewerkschaften über die Ausarbeitung der Regulierungsvorschrift über Arbeitssicherheit und -gesundheit in auf die Schlachtung und Verarbeitung von Fleisch und Fleischprodukten spezialisierten Unternehmen debattieren. Er kritisiert einerseits die fehlende Ethik der wichtigsten brasilianischen Gefrierfleischunternehmen, hinterfragt andererseits aber auch die Arbeit von Gewerkschaften und Regierung, die er für unzureichend hält.

 

 

 

 

 

 

Manche Beschäftigten führen bis zu 120 Bewegungen pro Minute aus, obwohl einige Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass mehr als 30 Bewegungen pro Minute mit schweren Gesundheitsrisiken für die Arbeitnehmer verbunden sind.

 

 

Die Prekarität der Arbeitsbedingungen Stella eine Art Sozialdumping dar, das auf der Nichteinhaltung der Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltvorschriften beruht, um so den Produktpreis zu senken.

 

 

Brasilien ist das China des Geflügelsektors. Kein Land der Welt ist imstande, Hähnchen so billig herzustellen wie Brasilien. Die sozialen Kosten sind dementsprechend hoch.

 

   

-Was ist die staatliche Arbeitsanwaltschaft*?

-Laut Verfassung ist die MPT für die Verteidigung der demokratischen Rechtsordnung mit ihren vielfältigen Rechten und Interessen zuständig. In funktioneller und administrativer Hinsicht ist sie autonom und arbeitet deshalb als von der Legislative, Exekutive und Judikative unabhängiges Organ.

 

Zu ihren Hauptaufgaben gehören:

- die Bekämpfung von Sklavenarbeit und erniedrigender Arbeit

- die Abschaffung der Ausbeutung vo Kindern und der Schutz jugendlicher Arbeiter

- die Förderung eines angemessenen Arbeitsumfelds

- die Sicherstellung der gewerkschaftlichen Organisationsfreiheit.

Auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes und der Verteidigung der Umwelt wurde vor Kurzem ein gesondertes Projekt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Gefrierfleischfabriken geschaffen, das von Staatsanwalt Heiler Ivens de Souza Natali und mir koordiniert wird; ich bin zugleich Geschäftsführer dieses Projekts.

 

-Wie würdest du die Arbeitsbedingungen in den brasilianischen Gefrierfleisch- fabriken beschreiben?

-Nachdem ich die Unternehmen fünf Jahre lang untersucht habe, besteht für mich kein Zweifel daran, dass die derzeitigen Arbeitsbedingungen mit der körperlichen und geistigen Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer absolut unvereinbar sind.  

 

Aufgrund der hochgradig prekären Arbeitsbedingungen gibt es eine regelrechte Legion junger Verletzter.  

 

-Gilt das für die Sektoren Rind- und Schweinefleisch ebenso wie für den Geflügelsektor?

-So ist es. Infolge des exzessiven Arbeitsrhythmus ist die Lage in den Geflügelbetrieben allerdings noch gravierender. Manche Beschäftigten führen bis zu 120 Bewegungen pro Minute aus, obwohl einige Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass mehr als 30 Bewegungen pro Minute mit schweren Gesundheitsrisiken für die Arbeitnehmer verbunden sind.

 

-Bei der Fleischverarbeitung sprechen wir von über 700 Tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, nicht wahr?

-Ja, Schätzungen gehen davon aus, dass in diesem Sektor über 700 Tausend Menschen beschäftigt sind, und nach den Ergebnissen von arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen in den Gefrierfleischfabriken leiden mindestens 20 Prozent von ihnen unter Berufskrankheiten.  

 

-Nimmt der prozentuale Anteil der Verletzungen ab, oder bleibt er unverändert?

-Die Situation hat sich verschlechtert, wenn davon ausgegangen wird, dass die Anzahl der Arbeitnehmer mit Muskel- und Skelettschädigungen, die zurzeit den Sozialversicherungsschutz in Anspruch nehmen, zugenommen hat. In Chapecó zum Beispiel, in Santa Catarina – ein Bundesstaat, für den die Fleischproduktion charakteristisch ist –, lässt sich eine 50-prozentige Zunahme der Arbeitnehmer beobachten, die aufgrund von Muskel- und Skelettschädigungen, Sehnenscheiden- und Schleimbeutelentzündungen und Erkrankungen der Wirbelsäule von der Sozialversicherung Gebrauch machen, aber auch ein besorgniserregendes Bild mentaler Störungen, die auf ein Arbeitumfeld mit grossen Risikofraktoren und einem enormen Druck zurückzuführen sind.

 

-Was geschieht mit diesen erkrankten Personen?  

-Sie werden von der Firma entlassen. Sobald die Arbeitnehmer erkranken, fallen sie in den Zuständigkeitsbereich der Sozialversicherung und des öffentlichen Gesundheitssystems (SUS). Die Unternehmen verschleissen diese Menschen, und dann ist der Staat dafür verantwortlich, zu ihrer Wiederherstellung beizutragen.

 

Besorgniserregend ist auch die grosse Anzahl von Menschen, die von Muskel- und Skelettschädigungen betroffen sind und häufig sogar von der Sozialversicherung abgewiesen werden, die ihre Arbeitsminderung nicht anerkennt. Daher beziehen viele Arbeitnehmer weder einen Lohn noch die staatlichen Sozialversicherungsleistungen.   

 

-Was unternimmt die MPT, wenn sie beim Besuch einer Gefrierfleischfabrik eine Situation vorfindet, die für die Beschäftigen gesundheitsschädlich ist?

-Die MPT hat ein eigenes Expertenteam und wird von Arbeitsinspektoren begleitet, die die Arbeitsbedingungen untersuchen und überwachen. Nach Abschluss der Überprüfung leiten die Behörden zivilrechtliche Schritte ein mit dem Ziel, angemessene Arbeitsbedingungen herbeizuführen.

 

Vor Kurzem unternahm die Arbeitsanwaltschaft einen sehr wichtigen Schritt, als Staatsanwalt Jean Carlo Voltolini in Forquilhinha, Creciúma, eine Zivilklage gegen Seara Alimentos SA. eingreichte. Diese Klage hatte zur Folge, dass die Firma aufgrund der völlig unzureichenden Arbeitsbedingungen in der Gefrierfleischfabrik zur Zahlung von 16 Mio. Real (rund 6,2 Mio. Euro) verurteilt wurde.

 

Deshalb besteht die Arbeit unseres nationalen Projekts aus folgenden Schritten: Auswahl der grössten Unternehmen in Brasilien, die für die meisten Verletzungen verantwortlich sind, Durchführung von Inspektionen vor Ort und Einleitung von öffentlichen zivilrechtlichen Schritten zur Förderung der Modernisierung dieser Arbeitsplätze.

 

-Die Arbeitnehmer haben nichts vom kräftigen Wachstum der brasilianischen Gefrierfleischindustrie...

-Das stimmt. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nichts davon, und der Staat auch nicht, denn die sozialen Kosten dieser Aktivität sind sehr hoch.  

 

Die Prekarität der Arbeitsbedingungen Stella eine Art Sozialdumping dar, das auf der Nichteinhaltung der Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltvorschriften beruht, um so den Produktpreis zu senken.  

 

Brasilien ist das China des Geflügelsektors. Kein Land der Welt ist imstande, Hähnchen so billig herzustellen wie Brasilien. Die sozialen Kosten sind dementsprechend hoch.

 

-Welche Erwartungen richten sich an die Regulierungsvorschrift?

-Die Norm gilt für den gesamten Sektor, und wir erwarten, dass sie vom Arbeitsministerium beschlossen wird, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen; dazu ist der Staat verpflichtet.

 

Es handelt sich um eine Regulierungsvorschrift, die sich unter anderem mit dem Arbeitsrhythmus, den Pausen, der Erholung bei Übermüdung und der angemessenen Ausstattung der Fabriken befasst.

 

Heutzutage können wir problemlos zu dem Schluss kommen, dass wir es bei den Gefrierfleischfabriken mit einer Art industriellem Feudalismus zu tun haben. Die Staatsbürger haben keinen Zugang zu den Gefrierfleischfabriken, die Rechte bleiben ebenfalls vor der Tür, am Zugang zur Produktionseinheit ist Schluss. Und da die Bürger nicht hineingehen, betreten die Arbeitnehmer einen Bereich vollkommener Schutzlosigkeit und Straffreiheit.

 

-Wir haben zusammen mit Dr. Roberto Ruiz darauf hingewiesen, dass auch die Gewerkschaft keinen Zutritt zur Fabrik hat..

-Natürlich. Die Gewerkschaftsarbeit in Brasilien muss überdacht werden um herauszufinden, welche Rolle die Gewerkschaften spielen sollen.   

 

Viele Klauseln, die zum Teil sogar erst nach dem Abschluss von Kollektivverhandlungen unterschrieben werden, müssen überprüft werden, denn sie stellen eine Einschränkung finanzieller Ansprüche und eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Arbeitnehmer dar. Um ein Beispiel zu nennen: Viele Vereinbarungen lassen Raum für die Ausübung von Druck aller Art, damit ein Bschäftigter auch im Krankheitsfall weiterarbeitet, denn er verliert Leistungsansprüche, wenn er krankheitsbedingt beurlaubt werden muss.   

 

Und dabei bleibt eine Reihe von Rechten, über die gar nicht gesprochen wird, ebenso unerwähnt wie das System des Arbeitsstundenkontos, das im Gefrierfleischsektor wirklich kriminell ist.  

 

-Möchtest du noch etwas hinzufügen?

-Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, dass der Staat über das Arbeits- und das Gesundheitsministerium und die in ihrem Zuständigkeitsbereich arbeitenden Institutionen konsequent handelt.

 

Es kann nicht hingenommen werden, dass so viele Erkrankungen ohne strafrechtliche Folgen bleiben, dass die Unternehmen das Arbeitsumfeld so intensiv verschlechtern, ohne dass die Staatsanwaltschaften, die Gerichte, der Staat, die Gewerkschaftsbewegung und die Bevölkerung insgesamt eindeutig darauf reagieren.

 

Es ist unverzichtbar, dass wir die Arbeitsorganisation überdenken. Natürlich müssen die Unternehmen Gewinne machen, aber nicht auf Kosten der Gesundheit der

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

 

Das sind schmutzige Gewinne, an denen weder die Arbeitnehmer noch die brasilianische Gesellschaft interessiert sind.

 

 

Gerardo Iglesias, Florianópolis

Rel-UITA

12. april 2012

 

 

 

 

 

* Portugiesisch: Ministério Público de Trabalho (MPT) (Anm. d. Übers.)

 

Foto 1-4: CONTAC

Foto de Pie: Gerardo Iglesias


Volver a Portada

  

  UITA - Secretaría Regional Latinoamericana - Montevideo - Uruguay

Wilson Ferreira Aldunate 1229 / 201 - Tel. (598 2) 900 7473 -  902 1048 -  Fax 903 0905