Gewerkschaften

Enviar este artículo por Correo Electrónico

     El Salvador

 

 

Die Geschichte der Firma

Calvo Conservas

 

 

 

 

 

 

Das Geschäft

 

Beim Verzehr von Meeresprodukten steht Thunfisch weltweit an dritter Stelle, nach Garnelen und dem Fischfang mit Grundschleppnetzen. Die Thunfischindustrie lässt sich in zwei Hauptsektoren unterteilen: Fischfang (Thunfischflotte) und Verarbeitung (Konservierung, Tiefgefrierung und Vermarktung). Die Flotte der Europäischen Union, die vor allem von Spanien (60 Prozent) und Frankreich (40 Prozent) gestellt wird, fängt jedes Jahr 500 Tausend Tonnen Thunfisch. Sechzig Prozent des Fangs der spanischen Firmen und ihrer mit Gefrieranlagen ausgestatteten Flotten erfolgt in internationalen Gewässern und der Rest über Vereinbarungen mit Drittländern.

 

Von allen in Spanien hergestellten Fischkonserven entfallen 58 Prozent (gemessen an ihrer Menge) auf Thunfisch; 2004 erreichten die Fänge ein Volumen von 182 Tausend Tonnen und einen Wert von 518 Mio. Euro (rund 700 Mio. Dollar). Damit wurde Spanien mit einem Weltmarktanteil von 16,4 Prozent zum drittgrößten Hersteller von Thunfischkonserven. Nur Thailand (19,3 Prozent) und die Vereinigten Staaten (16,5 Prozent) produzierten mehr.

 

In der Zeitschrift Revista Galega de Economía (Bd.15, Nr.1, 2006) vertritt Ramón Núñez Gamallo die Ansicht, dass “die wichtigste Herausforderung [für die Hersteller von Konserven] die Abschaffung der bestehenden Fang- und Handelsbeschränkungen ist”, wozu unter anderem die Zahlung von Zöllen gehört – womit wir bereits eine erste Spur gefunden haben.

 

Nach Angaben des Nationalen Verbands der Konservenhersteller entfallen 70 Prozent der spanischen Herstellung von Fischkonserven und halbverarbeiteten Produkten auf Firmen in Galizien. Dieser Industriezweig befindet sich in einem Prozess beschleunigter Internationalisierung; galizische Reedereien, Fischzuchten, verarbeitende Unternehmen und Konservenhersteller besitzen bereits 35 Industrieanlagen außerhalb Spaniens und über 50 Tochtergesellschaften in anderen Ländern. Gemessen an ihrem Umsatz in Galizien – und in Spanien insgesamt – sind Jealsa und Calvo die beiden größten Konservenhersteller. Im Jahr 2005 produzierten beide Unternehmen zusammen 120 Tausend Tonnen Konserven.

Jealsa

Im Jahr 1958 gründete Jesús Alonso Fernández eine Konservenfabrik unter seinem Namen, die 1974 in die Aktiengesellschaft Jesús Alonso S.A. (Jealsa) überführt wurde. 2000 wurde die Gesellschaft Mare Aperto, ein Joint Venture mit der italienischen Firma Star, gegründet. Im Dezember 2005 übernahm sie den Bereich Fisch- und Meeresfrüchte-Konserven von Robinson Crusoe, dem größten Konservenhersteller Chiles. Es handelt sich um das zweite Unternehmen von Jealsa in Lateinamerika, da die Firma bereits eine Anlage zur Thunfisch-Verarbeitung in Guatemala besitzt.

 

Die Calvo-Gruppe

 

Mit einem Anteil von 25 Prozent am Thunfischmarkt ist die Gruppe spanischer Marktführer und viertgrößter Hersteller weltweit; ihr Umsatz lag 2005 bei 350 Mio. Euro (rund 470 Mio. Dollar). Sie besitzt zwei Produktionsstätten in Galizien, eine in Italien, eine weitere in El Salvador und zwei in Brasilien. Mitte letzten Jahres schloss sie ihre Anlage in Venezuela. Ihr vor drei Jahren erworbenes brasilianisches Tochterunternehmen Gomes da Costa hat heute einen Marktanteil von rund 50 Prozent und erzielt einen Jahresumsatz von fast 100 Mio. Euro. Gomes da Costa hat vor kurzem im südlichen Bundesstaat Santa Catarina eine Fabrik zur Herstellung von Leerkonserven für Sardinen und Thunfisch eröffnet, mit deren Hilfe sie ihre Produktions- und Exportkapazität weiter steigern kann; das Unternehmen verfügt in demselben Bundesstaat in der Stadt Itajaí bereits über den vermutlich größten Komplex für Fischfang, Anlieferung und Verarbeitung Lateinamerikas. Die Fischereiflotte von Calvo besteht aus elf Fang-, zwei Versorgungs- und drei Frachtschiffen.

 

Kauf mich!

 

Im Oktober 2006 geriet die spanische Konservenindustrie in Panik. Mehrere Medien berichteten über einen möglichen Verkauf der Calvo-Gruppe ausgerechnet an die thailändische Thai Union, weltweit größtes Unternehmen auf dem Gebiet der Thunfisch-Verarbeitung. Aus Sorge um die Zukunft eines für den spanischen Markt emblematischen Unternehmens ergriffen angesichts dieser Information mehrere Gewerkschaften, lokale Behörden und Amtsträger und Wirtschaftsvertreter die Initiative. Die Lage eines Familienbetriebs wurde zu einer Angelegenheit des Staates und, wie wir noch sehen werden, der Königsfamilie. Der Verkauf von Calvo hätte mehrere Probleme aufgeworfen. So hätte niemand in Galizien und so gut wie niemand in Spanien einen Kaufpreis in Höhe des geschätzten Werts des Unternehmens von 300 bis 350 Mio. Euro gezahlt, womit die Firma unweigerlich in die Hände von ausländischem Kapital geraten wäre, das damit den Nutzen aus den in der Vergangenheit gewährten Staatssubventionen gezogen hätte. Darüber hinaus stand in einer Region mit geringen Arbeitsmöglichkeiten die Zukunft der Gemeinden auf dem Spiel, deren Schicksal direkt mit den 3000 vom Unternehmen geschaffenen Arbeitsplätzen verbunden ist.

 

Nach wochenlangen Verhandlungen zwischen Mitgliedern der Familie Calvo, Vertretern der Regierung von Galizien, Gewerkschaften und Vertretern der Konservenindustrie kam schließlich die gute Nachricht: “Das Unternehmen bleibt in der Familie”. Es ist schwer zu sagen, was wirklich geschehen war. Einige Vertreter der Familie Calvo meinten, die Verkaufsentscheidung sei deshalb erfolgt, weil zum Zeitpunkt des Ausscheidens der zweiten Generation der Übergang zur folgenden Generation nicht möglich gewesen sei. Andere vertraten weniger glaubwürdige Argumente. So erklärte z.B. Manuel Calvo García Benavides: “Wir haben sie zum Verkauf angeboten, um ihren Wert in Erfahrung zu bringen“. Wie dem auch sei, es steht fest, dass die Rentabilität der Gruppe bei steigendem Umsatz so stark rückläufig war, dass ihr Jahresabschluss 2006 einen nicht unbeachtlichen Verlust in Höhe von 12,5 Mio. Euro auswies. Verluste in dieser Größenordnung waren für die Minderheitsaktionäre - 22,2 Prozent der Aktien werden von Caixanova, Caja Castilla-La Mancha und Caja Burgos gehalten – kaum akzeptabel; für sie waren familiäre Sentimentalitäten sicher kein Argument.

 

Kurz vor Jahresende 2006 ging das Unternehmen schließlich in die Hände der dritten Calvo-Generation über, mit der Kündigung des bisherigen Generaldirektors Ramón Calvo Arechavaleta – der trotz seines Namens nicht zur Familie gehörte – als einzigem sichtbaren Trauma. Zur Veröffentlichung des ersten Quartalsabschlusses 2007 kam dann die Erfolgsnachricht: der Netto-Gewinn für diesen Zeitraum betrug 2 Mio. Euro.

 

Calvo Conservas El Salvador

 

Geburtswehen

 

Im Jahr 2002 begann Calvo seine Tätigkeit in El Salvador mit dem Bau einer Anlage zur Verarbeitung von Thunfischfilets in der Ortschaft La Unión. An der Grundsteinlegung am 10. April 2002 nahmen der Vorstandsvorsitzende der Gruppe, José Luis Calvo, sowie der Vizepräsident von El Salvador, Carlos Quintanilla Schmidt, teil. Nach Berichten von Beobachtern brach José Calvo im Verlauf der Zeremonie mehrfach in Tränen aus, was er damit erklärte, dass er an diesem Tag zum Konsul von El Salvador bei der Autonomen Gemeinschaft Galizien ernannt wurde. Bezüglich des neuen Werks meinte er, es handele sich lediglich um eine weitere Investition seines Landes, dass es jedoch “für ihn wie die Geburt eines neuen Kindes ist” - dieses Detail könnte auch zu seinen Tränen beigetragen haben.

 

Der Vizepräsident zitierte seinerseits im Verlauf einer langen Ansprache wörtlich aus den Erklärungen eines anderen Calvo, nämlich Ramón, gegenüber der Zeitschrift Cinco Días, in denen er die Ursachen des Erfolgs der Gruppe erläuterte: “…Bei uns wurde noch nie gestreikt. Noch nie mussten wir vor Gericht erscheinen. Wir können uns auf Leute stützen, die uns seit Jahren treu sind. Wir stimulieren die Team-Arbeit und die kontinuierliche Weiterbildung”. Dabei hat Don Ramón allerdings vergessen klar zu stellen, dass mehr als die Hälfte der 62jährigen Firmengeschichte in die Zeit der Franco-Diktatur fiel, während der nur die von Franco geschaffenen sogenannten vertikalen Gewerkschaften erlaubt waren, die gleichzeitig die Interesen von Arbeitern und Unternehmern vertreten sollten. Schwebt den Calvo dieses Modell vor?

 

Die Rechte ist sich einig

 

Die Ernennung José Calvos zum Konsul von El Salvador in Galizien im Jahr 2002 ist eine Spur, die durch eine weitere ergänzt wird: Am 20. September 2001 hatte die Regionalregierung von Galizien mit der Unterschrift von Manuel Frage Iribarne den bereits genannten Carlos Quintanilla Schmidt (Vizepräsident von El Salvador) mit der Medaille von Galizien in Silber ausgezeichnet.

 

Die Konservenfabrik wurde schließlich im September 2003 vom damaligen Präsidenten Francisco Flores, Mitglied der ultrarechten Nationalistisch-Republikanischen Allianz (Alianza Republicana Nacionalista - ARENA) sowie vom Präsidenten der Regionalregierung von Galizien, Manuel Frage Iribarne, ehemaliger Minister von Francisco Franco und Gründer der ebenfalls rechten Partei Partido Popular (PP) eröffnet.

 

2004

Seit 1989 regiert die Alianza Republicana Nacionalista (ARENA) El Salvador. Sie wurde 1981 von Major Roberto D’Aubuisson (1944 - 1992) gebildet, dem Gründer der Todesschwadrone und mutmaßlichen Anstifter zum Mord an Bischof Oscar Arnulfo Romero. Seine Gefolgsleute und Geldgeber gehörten der Oligarchie, den Streitkräften und paramilitärischen Organisationen an. Bei der Lektüre der Satzung fällt es nicht schwer zu verstehen, dass es ARENA um die dauerhafte Kontrolle der Gesellschaft mit Hilfe der Streitkräfte und um die Sicherung der wirtschaftlichen Stellung der herrschenden Schicht geht, mit der Finanzoligarchie an erster Stelle. In politischer Hinsicht handelt es sich um eine nationalistische Rechtspartei, die in wirtschaftspolitischen Fragen eine neoliberale Richtung vertritt.

 

Im Jahr 2004 kündigte Calvo El Salvador knapp 300 Arbeiterinnen nach einem spontanen Ausstand aus Protest gegen die unannehmbaren Arbeitsbedingungen (Arbeitstage bis an den Rand der Erschöpfung und Nicht-Einhaltung der wöchentlichen Ruhetage beim Entladen der Thunfisch-Fangschiffe) und für Mindest-Schutzmaßnahmen gegen Arbeitsunfälle: Neben einer Reihe schwerer Arbeitsunfälle waren aufgrund von Lecks im Kühlsystem mehrere Arbeiterinnen ohnmächtig geworden. Nach eigenen Angaben waren die Frauen außerdem Beleidigungen und obszönen Beschimpfungenvon durch ihre Vorgesetzten und das verantwortliche Personal ausgesetzt.

Im März wird Elías Antonio (“Tony”) Saca González zum Staatspräsidenten gewählt, womit ARENA zum vierten Mal in Folge die Präsidentschaftswahl gewinnt.

 

2006

 

Ein besonders bewegtes Jahr für Calvo in El Salvador. Am 25. Januar nahm Tony Saca an der Einweihung der neuen Füllanlage für Thunfisch mit einer Tageskapazität von 200 Tausend Konserven im Hafen von La Unión teil, wo nach Angaben der Firmenleitung sechs Mio. Dollar investiert und 300 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. In seiner Ansprache erklärte der Präsident, die Calvo-Gruppe habe “ihre Position als Marktführer bei der Herstellung von Thunfischkonserven durch eine weltweite Expansion konsolidiert, mit der das hohe Ansehen des Markennamens und damit auch die gute Leistung der Salvadorianer an vielen Orten rund um den Globus bekannt” geworden seien. Er hob weiter hervor, dass die Exporte der Gruppe 2005 bei 54 Mio. Dollar gelegen hätten. Zur neuen Anlage meinte er, dass mit ihrer Hilfe “die Exporte der Thunfischkonserven weiter entwickelt werden könnten, wodurch mehr Arbeitsplätze entstehen“, und dass das Unternehmen von dem demnächst in Kraft tretenden Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten profitieren werde. Er ging auch auf die Sozialpolitik der Firma mit ihren Vergünstigungen und Leistungen für die Beschäftigten ein, “durch die der Einsatz und die Anstrengungen, die die Arbeitskräfte bisher erbracht haben, anerkannt werden“. Abschließend beglückwünschte er die Familie Calvo im Nahmen der Regierung und des Volkes von El Salvador und lud sie ein, dem Land auch weiter ihr Vertrauen zu schenken in dem Bewusstsein, dass ihre Operationen durch klare Regeln und ein stabiles Geschäftsklima begünstigt würden.

Elías Antonio Saca bei der Einweihung

des neuen Werks von Calvo

 

 Anschließend sprach der damalige Vorstandsvorsitzende der Gruppe, José Luis Calvo, der – allein für 2006 – Investitionen in Höhe von einer Mio. Dollar auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung des Unternehmens ankündigte, die zum größten Teil für die Entwicklung eines Sozialplans mit Anreizen und Vergünstigungen für die Arbeitnehmer vorgesehen seien, wobei er die Erhöhung des Mindestlohns besonders hervorhob. Um nicht zurück zu stehen, hob der Betriebsleiter, Miguel Ángel Peñalva, die Existenz eines Stipendienprogramms für die Kinder der Arbeitnehmer hervor: “Bisher haben sechs Gymnasiasten und ein Universitätsstudent ein Stipendium“. Das ist sicher lobenswert, aber bei 1500 Beschäftigen doch ein sehr niedriger Prozentsatz. Und für den Fall, dass ein widerspenstiger Gewerkschafter anwesend sein sollte, stellte Don José Luis klar, dass “die Firma gute Fortschritte gemacht hat, denn vor vier Jahren gab es hier nichts als Schlangen“.

 

Dass es im Hafen von La Unión keine Schlangen mehr gab, bedeutete nicht, dass alle Gefahrenquellen beseitigt waren. So gab es ab Mitte des Jahres beunruhigende Nachrichten aus der Europäischen Union (EU). Im Juni 2005 hatte die UE das sogenannte Allgemeine Präferenzsystem plus (APS+) angenommen, das für unterentwickelte Länder gelten sollte, die sich zur Ratifizierung bestimmter internationaler Abkommen zu Menschen- und Arbeitsrechten, Umweltschutz und gutes Regieren verpflichteten. Unter das APS+ fiel auch El Salvador, so dass eine Reihe von Erzeugnissen zollfrei in die EU eingeführt werden konnten; bei Thunfisch sank der Zoll von 24 Prozent auf null.

 

Für eine Partei, die solche Interessen vertritt wie ARENA, ist die Forderung der EU, El Salvador solle die IAO – Übereinkommen ratifizieren, ein dicker Brocken. Die Proteste der salvadorianischen Oligarchie waren noch in Brüssel zu hören. Ihre Hauptargumente: Die IAO habe nicht das Recht, ihren Mitgliedsstaaten Auflagen zu erteilen (ein irreführendes Argument, da die Auflagen seitens der EU und nicht durch die IAO erfolgen); außerdem sei bei Unterzeichnung dieser Übereinkommen keine Entwicklung möglich (ein weltweit von Diktaturen und der Rechten vorgebrachtes Argument), weshalb “im Namen der Ehre und Würde der Nation” auf das APS+ verzichtet werden sollte.

 

Bei den von El Salvador zu ratifizierenden IAO – Übereinkommen handelte es sich um die Nr. 87 (freie gewerkschaftliche Betätigung und Vereinigungsrecht), Nr. 98 (Vereinigungsrecht und Kollektivverhandlungen), Nr. 135 (Schutz von Arbeitnehmervertretern und deren Arbeitsmöglichkeiten in den Unternehmen) und Nr. 151 (Vereinigungsrecht in der öffentlichen Verwaltung).

Die EU gestand El Salvador eine Frist bis zum 31. Dezember 2006 zu, um die genannten Übereinkommen zu ratifizieren. Andernfalls würde das Land ab 1. Januar 2007 vom APS+ ausgeschlossen. Während die salvadorianische Regierung unter Tony Saca zögerte, die Forderung zu erfüllen, entschied die Calvo-Gruppe, ihr bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Mitte Juni berief sie ein Treffen mit den Unternehmen der Region ein, in der ihre Abfüllanlage arbeitet, und informierte sie über eine mögliche Verlegung ihrer Operationen nach Nikaragua. Am folgenden Tag weigerte sich der bereits erwähnte Miguel Ángel Peñalva gegenüber der Presse, diese Meldung zu bestätigen, und erklärte, das Unternehmen warte vor einer Entscheidung noch auf die Ergebnisse einer baldigen Unterredung mit dem Staatspräsidenten.

Wahrscheinlich wäre es für Calvo nicht so einfach, El Salvador zu verlassen. In Spanien besteht seit 1990 die spanische Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung (Compañía Española de Financiación del Desarrollo - (COFIDES), eine mit einer Mischfinanzierung ausgestattete Aktiengesellschaft mit dem Auftrag, spanische Investitionen ”in Schwellen- oder Entwicklungsländern“ finanziell zu fördern. In der Aufstellung der von COFIDES finanziell geförderten Projekte, Stand: 31. Dezember 2005, ist folgendes zu lesen: Land: El Salvador; Firma: Luis Calvo El Salvador; Tätigkeitsgebiet: Konservenindustrie; Spanische Gesellschaft: Luis Calvo Sanz; Anfangsinvestition: 52,60 Mio. Euro. Würde man so einfach von einem begünstigten Land zu einem anderen wechseln können?

 

Entweder fand das Gespräch nicht statt oder die Ergebnisse blieben hinter den Erwartungen zurück; jedenfalls erklärte das Unternehmen in einer Pressemitteilung vom 26. Juni: “Angesichts der durch das APS+ geschaffenen Zollunsicherheit im Land muss die Calvo-Gruppe zu ihrem Bedauern ihre Tätigkeit in El Salvador auf die Hälfte senken. Damit wird eine Schicht entlassen, insgesamt 600 Arbeitsplätze, vor allem Frauen (!). Diese Entscheidung ist dem Unternehmen nicht leicht gefallen, aber es gab keine Alternative.

 

Doch statt sich einschüchtern zu lassen ging die salvadorianische Rechte in die Gegenoffensive über. “Dann sollen sie doch gehen”, erklärte der ARENA-Abgeordnete und älteste Sohn des Parteigründers, Roberto D’Aubuisson, andere Unternehmen wie Dell aus den Vereinigten Staaten hätten mehr und bessere Arbeitsplätze geschaffen. Die konservative Zeitung El Diario de Hoy meinte, “die Erpressung [der EU] zu akzeptieren käme einer Übergabe der Staatsgeschäfte an die rückständigsten und gewalttätigste Kräfte gleich”, und so schmerzlich ein Rückzug von Calvo auch sei, “man darf die Auflagen zugunsten der Gewerkschaften nicht hinnehmen“. Ein weiterer Gegner der Unterzeichnung der Übereinkommen, der ARENA-Abgeordnete Norman Quijano, äußerte sich folgendermaßen: “Die Arbeitsplätze verschwinden, wenn wir politische Instabilität schaffen; sie verschwinden, wenn es zu gewalttätigen Demonstrationen auf der Straße kommt“. Der Arbeitsminister, José Roberto Espinal, kommentierte: “Ich respektiere die Entscheidungen der Firma, und wenn sie getroffen werden, muss man mit ihnen fertig werden. Die Regierung wird analysieren, wie viele der von Calvo in der Stadt La Unión geschaffenen Arbeitsplätze anderweitig genutzt oder in neue Investitionen integriert werden können“. Und der Europa-Abgeordnete für die spanische PP, Daniel Varela Suanzes, stellte den Antrag, das Europäische Parlament möge die Fristen für die Ratifizierung der IAO-Übereinkommen durch El Salvador verlängern. Ergänzend meinte er, ein Ausschluss El Salvadors aus dem APS+käme einer wirtschaftlichen Katastrophe für das Land und die spanischen Unternehmen gleich, die wie im Fall der Konservenanlage der Calvo-Gruppe, dort investiert haben“.

 

Der Auftritt des Prinzen

von Bourbon und Griechenland

 

An diesem Punkt entschieden einige Spanier, dass es wohl an der Zeit sei, schweres Geschütz aufzufahren, womit mehr oder weniger verschleiert damit begonnen wurde, mehr oder weniger offiziell Druck auszuüben. Am 9. Mai unterzeichnete Spanien eine Vereinbarung, mit der der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) 40 Mio. Euro für Umweltprojekte in Zentralamerika zur Verfügung gestellt wurden. Obwohl die BCIE ihren Sitz in Tegucigalpa (Honduras) hat, wurde die Vereinbarung in San Salvador im Beisein des Prinzen Felipe unterzeichnet, der es sich auch nicht nehmen ließ, dort das spanisch-zentralamerikanisch-panamenische Unternehmerforum zu eröffnen. In seinem Verlauf wurden die Möglichkeiten für spanische Investitionen in der Region analysiert, wobei der Thronfolger die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen hevorhob, durch die Spanien zum wichtigsten Handelspartner und Investor der EU in der Region geworden sei, und betonte, dass alleine im vorher gehenden Jahr (2005) der Güteraustausch auf 1324 Mio. Dollar gestiegen sei. Man muss kein Fachmann für Diplomatie sein, um die Bedeutung der Botschaft seiner Majestät an die salvadorianische Regierung im Klartext zu verstehen: Schaut was alles auf dem Spiel steht! Macht keinen Ärger!

 

Nach dem Treffen mit den Unternehmern flogen Prinz Felipe und Staatspräsident Tony Saca im Hubschrauber zum Golf von Fonseca und besuchten das Thunfisch-Werk der Calvo-Gruppe. Niemand wird so naiv sein zu glauben, dass die Beiden sich für die Zerkleinerung der Thunfische interessierten; vielmehr ist anzunehmen, dass der Besuch eine klare Botschaft enthielt und dazu dienen sollte, einen Ausweg aus den Schwierigkeiten des spanischen Konservenherstellers zu finden. Die Vereinbarungen zwischen den drei Parteien sind geheim, doch obwohl wir keinen Zugang dazu haben, lässt sich ihre Bedeutung aus den Spuren der Akteure unschwer erschließen.

Mai 2006: Prinz Felipe und Tony Saca

während des Besuchs der Fabrik

von Calvo in El Salvador

  

Im August 2006 ratifizierte schließlich das Parlament die vier IAO-Übereinkommen. Alles schien zur Normalität zurückzukehren, bis die Beschäftigten von Calvo sechs Monate später – schon 2007 – zur Überzeugung gelangten, es sei an der Zeit, die Übereinkommen umzusetzen, und versuchten, eine Gewerkschaft aufzubauen. Das Unternehmen reagierte sofort und mit aller Härte. Im Februar wurde die Kollegin Berta Menjivar, Gewerkschaftsmitglied und Frau des Generalsekretärs, entlassen. Im März wurden dann José Joaquín Reyes, Sekretär des Gewerkschaftsvorstands für die Beziehungen zu anderen Organisationen, und der Sekretär für soziale Angelegenheiten, Roberto Hernández, entlassen. Während die Kündigungen mittlerweile die Gerichte beschäftigen, weigert sich das Unternehmen, die Rechtmäßigkeit der Gewerkschaft anzuerkennen, obwohl die Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen dem Arbeitsministerium vollständig übergeben hatten.

 

Damit ist klar, dass die Calvo-Gruppe sich nur aus kommerziellen Gründen für die IAO-Übereinkommen interessierte und weder früher noch heute daran gedacht hat sie einzuhalten. Nachdem Calvo sich nachdrücklich für die Ratifizierung der Übereinkommen stark gemacht hat, ist es ein Skandal, dass die Firma jetzt ihre Umsetzung verweigert. Daran beteiligt sind – wie wir hoffentlich gezeigt haben – die salvadorianische Regierung, die Regionalregierung von Galizien, Prinz Felipe, die spanische Regierung, die EU und die IAO. (+ info)

 

Epilog (erste Fassung)

 

Vor kurzem weigerte sich die Firmenleitung in El Salvador, die Vertreter der UITA und des spanischen Dachverbands Comisiones Obreras zu empfangen. Darüber haben wir schon in Spanien gesprochen”, erklärten sie; ob aus Feigheit oder Arroganz, wissen wir nicht. Die Beamten des Arbeitsministeriums schauen weg, während die Polizei der Firma weiter zu Diensten steht und bereit ist, jedes Anzeichen von Protest zu unterdrücken.

 

So lange die Calvo-Gruppe jede Erklärung verweigert und die IAO-Übereinkommen weiterhin nicht umgesetzt werden, haben wir das Recht und die Pflicht, über die Ereignisse zu berichten und sie zu interpretieren. Auf der Grundlage der wieder gegebenen Ereignisse wagen wir zu behaupten, dass es sich um eine Abmachung handelt, bei der beide Seiten gewonnen haben. Einerseits akzeptierte die Regierung die Ratifizierung von Übereinkommen ohne irgendwelche politischen Konsequenzen, da sich die Calvo-Gruppe dazu verpflichtete, sie in ihrem Werk nicht umzusetzen. Andererseits kann das multinationale Unternehmen weiterhin zum Null-Tarif in die EU exportieren und sich dazu billiger Arbeitskräfte bedienen, da das Arbeitsministerium und die Polizei die Bildung einer Gewerkschafsorganisation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verhindern.

 

So weit diese Geschichte, die noch längst nicht zu Ende ist.

 

Enildo Iglesias und Gerardo Iglesias

©Rel-UITA

31. Mai 2007

 

 

  

  UITA - Secretaría Regional Latinoamericana - Montevideo - Uruguay

Wilson Ferreira Aldunate 1229 / 201 - Tel. (598 2) 900 7473 -  902 1048 -  Fax 903 0905