Gewerkschaften |
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El Salvador
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Die Geschichte der Firma
Calvo Conservas |
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Das Geschäft
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Beim Verzehr
von Meeresprodukten steht Thunfisch weltweit an dritter Stelle, nach
Garnelen und dem Fischfang mit Grundschleppnetzen. Die Thunfischindustrie
lässt sich in zwei Hauptsektoren unterteilen: Fischfang (Thunfischflotte)
und Verarbeitung (Konservierung, Tiefgefrierung und Vermarktung). Die Flotte
der Europäischen Union, die vor allem von Spanien (60 Prozent)
und Frankreich (40 Prozent) gestellt wird, fängt jedes Jahr 500
Tausend Tonnen Thunfisch. Sechzig Prozent des Fangs der spanischen Firmen
und ihrer mit Gefrieranlagen ausgestatteten Flotten erfolgt in
internationalen Gewässern und der Rest über Vereinbarungen mit Drittländern.
Von allen in
Spanien hergestellten Fischkonserven entfallen 58 Prozent (gemessen
an ihrer Menge) auf Thunfisch; 2004 erreichten die Fänge ein Volumen von 182
Tausend Tonnen und einen Wert von 518 Mio. Euro (rund 700 Mio.
Dollar).
Damit wurde
Spanien mit einem Weltmarktanteil von 16,4 Prozent zum drittgrößten
Hersteller von Thunfischkonserven. Nur Thailand (19,3 Prozent) und
die Vereinigten Staaten (16,5 Prozent) produzierten mehr.
In der
Zeitschrift Revista Galega de Economía (Bd.15, Nr.1, 2006)
vertritt Ramón Núñez Gamallo die Ansicht, dass “die wichtigste
Herausforderung [für die Hersteller von Konserven] die Abschaffung der
bestehenden Fang- und Handelsbeschränkungen ist”, wozu unter anderem die
Zahlung von Zöllen gehört – womit wir bereits eine erste Spur gefunden
haben.
Nach Angaben
des Nationalen Verbands der Konservenhersteller entfallen 70 Prozent
der spanischen Herstellung von Fischkonserven und halbverarbeiteten
Produkten auf Firmen in Galizien. Dieser Industriezweig befindet sich
in einem Prozess beschleunigter Internationalisierung; galizische
Reedereien, Fischzuchten, verarbeitende Unternehmen und Konservenhersteller
besitzen bereits 35 Industrieanlagen außerhalb Spaniens und über 50
Tochtergesellschaften in anderen Ländern. Gemessen an ihrem Umsatz in
Galizien – und in Spanien insgesamt – sind Jealsa und
Calvo die beiden größten Konservenhersteller.
Im
Jahr 2005 produzierten beide Unternehmen zusammen 120 Tausend Tonnen
Konserven.
Jealsa
Im
Jahr 1958 gründete Jesús Alonso Fernández eine
Konservenfabrik unter seinem Namen, die 1974 in die
Aktiengesellschaft Jesús Alonso S.A. (Jealsa) überführt
wurde. 2000 wurde die Gesellschaft Mare Aperto, ein Joint
Venture mit der italienischen Firma Star, gegründet.
Im Dezember 2005 übernahm sie den Bereich Fisch- und
Meeresfrüchte-Konserven von Robinson Crusoe, dem größten
Konservenhersteller Chiles. Es handelt sich um das zweite
Unternehmen von Jealsa in Lateinamerika, da die Firma bereits eine
Anlage zur Thunfisch-Verarbeitung in Guatemala besitzt.
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Die Calvo-Gruppe
Mit einem Anteil
von 25 Prozent am Thunfischmarkt ist die Gruppe spanischer Marktführer
und viertgrößter Hersteller weltweit; ihr Umsatz lag 2005 bei 350 Mio.
Euro (rund 470 Mio. Dollar).
Sie besitzt
zwei Produktionsstätten in Galizien, eine in Italien, eine weitere
in El Salvador und zwei in Brasilien.
Mitte letzten Jahres schloss
sie ihre Anlage in Venezuela. Ihr vor drei Jahren erworbenes
brasilianisches Tochterunternehmen Gomes da Costa hat heute einen
Marktanteil von rund 50 Prozent und erzielt einen Jahresumsatz von fast 100 Mio.
Euro.
Gomes da Costa
hat vor kurzem im südlichen Bundesstaat Santa Catarina eine Fabrik zur
Herstellung von Leerkonserven für Sardinen und Thunfisch eröffnet, mit deren
Hilfe sie ihre Produktions- und Exportkapazität weiter steigern kann; das
Unternehmen verfügt in demselben Bundesstaat in der Stadt Itajaí bereits
über den vermutlich größten Komplex für Fischfang, Anlieferung und Verarbeitung
Lateinamerikas. Die Fischereiflotte von Calvo besteht aus elf
Fang-, zwei Versorgungs- und drei Frachtschiffen.
Kauf mich!
Im
Oktober 2006 geriet die spanische Konservenindustrie in Panik.
Mehrere Medien
berichteten über einen möglichen Verkauf der Calvo-Gruppe ausgerechnet an
die thailändische Thai Union, weltweit größtes Unternehmen auf dem Gebiet
der Thunfisch-Verarbeitung. Aus Sorge um die Zukunft eines für den spanischen
Markt emblematischen Unternehmens ergriffen angesichts dieser Information
mehrere Gewerkschaften, lokale Behörden und Amtsträger und Wirtschaftsvertreter
die Initiative. Die Lage eines Familienbetriebs wurde zu einer Angelegenheit des
Staates und, wie wir noch sehen werden, der Königsfamilie.
Der Verkauf von Calvo hätte mehrere Probleme
aufgeworfen.
So hätte niemand
in Galizien und so gut wie niemand in Spanien einen Kaufpreis in
Höhe des geschätzten Werts des Unternehmens von 300 bis 350 Mio. Euro gezahlt,
womit die Firma unweigerlich in die Hände von ausländischem Kapital geraten
wäre, das damit den Nutzen aus den in der Vergangenheit gewährten
Staatssubventionen gezogen hätte. Darüber hinaus stand in einer Region mit
geringen Arbeitsmöglichkeiten die Zukunft der Gemeinden auf dem Spiel, deren
Schicksal direkt mit den 3000 vom Unternehmen geschaffenen Arbeitsplätzen
verbunden ist.
Nach wochenlangen
Verhandlungen zwischen Mitgliedern der Familie Calvo, Vertretern der
Regierung von Galizien, Gewerkschaften und Vertretern der
Konservenindustrie kam schließlich die gute Nachricht: “Das Unternehmen bleibt
in der Familie”. Es ist schwer zu sagen, was wirklich geschehen war. Einige
Vertreter der Familie Calvo meinten, die Verkaufsentscheidung sei deshalb
erfolgt, weil zum Zeitpunkt des Ausscheidens der zweiten Generation der Übergang
zur folgenden Generation nicht möglich gewesen sei.
Andere vertraten weniger glaubwürdige Argumente.
So erklärte
z.B. Manuel Calvo García Benavides: “Wir haben sie zum Verkauf angeboten,
um ihren Wert in Erfahrung zu bringen“. Wie dem auch sei, es steht fest, dass
die Rentabilität der Gruppe bei steigendem Umsatz so stark rückläufig war, dass
ihr Jahresabschluss 2006 einen nicht unbeachtlichen Verlust in Höhe von 12,5
Mio. Euro auswies.
Verluste in
dieser Größenordnung waren für die Minderheitsaktionäre - 22,2 Prozent der
Aktien werden von Caixanova, Caja Castilla-La Mancha und Caja
Burgos gehalten – kaum akzeptabel; für sie waren familiäre Sentimentalitäten
sicher kein Argument.
Kurz vor
Jahresende 2006 ging das Unternehmen schließlich in die Hände der dritten
Calvo-Generation über, mit der Kündigung des bisherigen Generaldirektors
Ramón Calvo Arechavaleta – der trotz seines Namens nicht zur Familie gehörte
– als einzigem sichtbaren Trauma. Zur Veröffentlichung des ersten
Quartalsabschlusses 2007 kam dann die Erfolgsnachricht: der Netto-Gewinn für
diesen Zeitraum betrug 2 Mio.
Euro.
Calvo Conservas
El Salvador
Geburtswehen
Im Jahr 2002
begann Calvo seine Tätigkeit in El Salvador mit dem Bau einer
Anlage zur Verarbeitung von Thunfischfilets in der Ortschaft La Unión.
An der Grundsteinlegung am 10. April 2002 nahmen der
Vorstandsvorsitzende der Gruppe, José Luis Calvo, sowie der Vizepräsident
von El Salvador, Carlos Quintanilla Schmidt, teil. Nach Berichten
von Beobachtern brach José Calvo im Verlauf der Zeremonie mehrfach in
Tränen aus, was er damit erklärte, dass er an diesem Tag zum Konsul von El
Salvador bei der Autonomen Gemeinschaft Galizien ernannt wurde.
Bezüglich des neuen Werks meinte er, es handele sich lediglich um eine weitere
Investition seines Landes, dass es jedoch “für ihn wie die Geburt eines neuen
Kindes ist” - dieses Detail könnte auch zu seinen Tränen beigetragen haben.
Der Vizepräsident
zitierte seinerseits im Verlauf einer langen Ansprache wörtlich aus den
Erklärungen eines anderen Calvo, nämlich Ramón, gegenüber der
Zeitschrift Cinco Días, in denen er die Ursachen des Erfolgs der Gruppe
erläuterte: “…Bei uns wurde noch nie gestreikt. Noch nie
mussten wir vor Gericht erscheinen.
Wir können uns auf
Leute stützen, die uns seit Jahren treu sind.
Wir stimulieren die Team-Arbeit
und die kontinuierliche Weiterbildung”.
Dabei hat Don
Ramón allerdings vergessen klar zu stellen, dass mehr als die Hälfte der
62jährigen Firmengeschichte in die Zeit der Franco-Diktatur fiel, während der
nur die von Franco geschaffenen sogenannten vertikalen Gewerkschaften erlaubt
waren, die gleichzeitig die Interesen von Arbeitern und Unternehmern vertreten
sollten. Schwebt den Calvo dieses Modell vor?
Die Rechte
ist sich einig
Die Ernennung
José Calvos zum Konsul von El Salvador in Galizien im Jahr
2002 ist eine Spur, die durch eine weitere ergänzt wird: Am 20. September 2001
hatte die Regionalregierung von Galizien mit der Unterschrift von
Manuel Frage Iribarne den bereits genannten Carlos Quintanilla Schmidt
(Vizepräsident von El Salvador) mit der Medaille von Galizien in Silber
ausgezeichnet.
Die Konservenfabrik wurde schließlich im September 2003
vom damaligen Präsidenten Francisco Flores, Mitglied der ultrarechten
Nationalistisch-Republikanischen Allianz (Alianza Republicana Nacionalista -
ARENA) sowie vom Präsidenten der Regionalregierung von Galizien,
Manuel Frage Iribarne, ehemaliger Minister von Francisco Franco und
Gründer der ebenfalls rechten Partei Partido Popular (PP) eröffnet.
2004
Seit 1989
regiert die Alianza Republicana Nacionalista (ARENA) El
Salvador.
Sie
wurde 1981 von Major Roberto D’Aubuisson (1944 - 1992)
gebildet, dem Gründer der Todesschwadrone und mutmaßlichen Anstifter
zum Mord an Bischof Oscar Arnulfo Romero. Seine Gefolgsleute
und Geldgeber gehörten der Oligarchie, den Streitkräften und
paramilitärischen Organisationen an. Bei der Lektüre der Satzung
fällt es nicht schwer zu verstehen, dass es ARENA um die
dauerhafte Kontrolle der Gesellschaft mit Hilfe der Streitkräfte und
um die Sicherung der wirtschaftlichen Stellung der herrschenden
Schicht geht, mit der Finanzoligarchie an erster Stelle. In
politischer Hinsicht handelt es sich um eine nationalistische
Rechtspartei, die in wirtschaftspolitischen Fragen eine neoliberale
Richtung vertritt. |
Im Jahr 2004
kündigte Calvo El Salvador knapp 300 Arbeiterinnen nach einem spontanen
Ausstand aus Protest gegen die unannehmbaren Arbeitsbedingungen (Arbeitstage bis
an den Rand der Erschöpfung und Nicht-Einhaltung der wöchentlichen Ruhetage beim
Entladen der Thunfisch-Fangschiffe) und für Mindest-Schutzmaßnahmen gegen
Arbeitsunfälle: Neben einer Reihe schwerer Arbeitsunfälle waren aufgrund von
Lecks im Kühlsystem mehrere Arbeiterinnen ohnmächtig geworden. Nach eigenen
Angaben waren die Frauen außerdem Beleidigungen und obszönen Beschimpfungenvon
durch ihre Vorgesetzten und das verantwortliche Personal ausgesetzt.
Im März wird
Elías Antonio (“Tony”) Saca González zum Staatspräsidenten gewählt, womit
ARENA zum vierten Mal in Folge die Präsidentschaftswahl gewinnt.
2006
Ein besonders
bewegtes Jahr für Calvo in El Salvador.
Am 25.
Januar nahm
Tony Saca an der Einweihung der neuen Füllanlage für Thunfisch mit einer
Tageskapazität von 200 Tausend Konserven im Hafen von La Unión teil, wo
nach Angaben der Firmenleitung sechs Mio.
Dollar investiert und 300 neue
Arbeitsplätze geschaffen wurden.
In seiner
Ansprache erklärte der Präsident, die Calvo-Gruppe habe “ihre Position
als Marktführer bei der Herstellung von Thunfischkonserven durch eine weltweite
Expansion konsolidiert, mit der das hohe Ansehen des Markennamens und damit auch
die gute Leistung der Salvadorianer an vielen Orten rund um den Globus bekannt”
geworden seien. Er hob weiter hervor, dass die Exporte der Gruppe 2005
bei 54 Mio. Dollar gelegen hätten. Zur neuen Anlage meinte er, dass mit ihrer
Hilfe “die Exporte der Thunfischkonserven weiter entwickelt werden könnten,
wodurch mehr Arbeitsplätze entstehen“, und dass das Unternehmen von dem
demnächst in Kraft tretenden Freihandelsabkommen mit den Vereinigten
Staaten profitieren werde. Er ging auch auf die Sozialpolitik der Firma mit
ihren Vergünstigungen und Leistungen für die Beschäftigten ein, “durch die
der Einsatz und die Anstrengungen, die die Arbeitskräfte bisher erbracht haben,
anerkannt werden“. Abschließend beglückwünschte er die Familie Calvo
im Nahmen der Regierung und des Volkes von El Salvador und lud sie ein, dem Land
auch weiter ihr Vertrauen zu schenken in dem Bewusstsein, dass ihre Operationen
durch klare Regeln und ein stabiles Geschäftsklima begünstigt würden.
Elías
Antonio Saca
bei der Einweihung
des neuen Werks von Calvo |
Anschließend
sprach der damalige Vorstandsvorsitzende der Gruppe, José Luis Calvo, der
– allein für 2006 – Investitionen in Höhe von einer Mio. Dollar auf dem Gebiet
der sozialen Verantwortung des Unternehmens ankündigte, die zum größten Teil für
die Entwicklung eines Sozialplans mit Anreizen und Vergünstigungen für die
Arbeitnehmer vorgesehen seien, wobei er die Erhöhung des Mindestlohns besonders
hervorhob. Um nicht zurück zu stehen, hob der Betriebsleiter, Miguel Ángel
Peñalva, die Existenz eines Stipendienprogramms für die Kinder der
Arbeitnehmer hervor: “Bisher haben sechs Gymnasiasten und ein
Universitätsstudent ein Stipendium“. Das ist sicher lobenswert, aber bei
1500 Beschäftigen doch ein sehr niedriger Prozentsatz. Und für den Fall, dass
ein widerspenstiger Gewerkschafter anwesend sein sollte, stellte Don José
Luis klar, dass “die Firma gute Fortschritte gemacht hat, denn vor vier
Jahren gab es hier nichts als Schlangen“.
Dass es im Hafen von La Unión keine Schlangen
mehr gab, bedeutete nicht, dass alle Gefahrenquellen
beseitigt waren. So gab es ab Mitte des Jahres
beunruhigende Nachrichten aus der Europäischen Union
(EU). Im Juni 2005 hatte die UE das
sogenannte Allgemeine Präferenzsystem plus (APS+)
angenommen, das für unterentwickelte Länder gelten
sollte, die sich zur Ratifizierung bestimmter
internationaler Abkommen zu Menschen- und
Arbeitsrechten, Umweltschutz und gutes Regieren
verpflichteten. Unter das APS+ fiel auch
El Salvador, so dass eine Reihe von Erzeugnissen
zollfrei in die EU eingeführt werden konnten;
bei Thunfisch sank der Zoll von 24 Prozent auf null.
Für eine Partei,
die solche Interessen vertritt wie ARENA, ist die Forderung der EU,
El Salvador solle die IAO – Übereinkommen ratifizieren, ein dicker
Brocken. Die Proteste
der salvadorianischen Oligarchie waren noch in Brüssel zu hören.
Ihre
Hauptargumente: Die IAO habe nicht das Recht, ihren Mitgliedsstaaten
Auflagen zu erteilen (ein irreführendes Argument, da die Auflagen seitens der
EU und nicht durch die IAO erfolgen); außerdem sei bei Unterzeichnung
dieser Übereinkommen keine Entwicklung möglich (ein weltweit von Diktaturen und
der Rechten vorgebrachtes Argument), weshalb “im Namen der Ehre und Würde der
Nation” auf das APS+ verzichtet werden sollte.
Bei den von El Salvador zu ratifizierenden IAO – Übereinkommen handelte es sich um die Nr. 87 (freie gewerkschaftliche Betätigung und Vereinigungsrecht), Nr. 98 (Vereinigungsrecht und Kollektivverhandlungen), Nr. 135 (Schutz von Arbeitnehmervertretern und deren Arbeitsmöglichkeiten in den Unternehmen) und Nr. 151 (Vereinigungsrecht in der öffentlichen Verwaltung). |
Die EU
gestand El Salvador eine Frist bis zum 31. Dezember 2006 zu, um die
genannten Übereinkommen zu ratifizieren.
Andernfalls würde das Land ab
1. Januar 2007 vom APS+ ausgeschlossen.
Während die
salvadorianische Regierung unter Tony Saca zögerte, die Forderung zu
erfüllen, entschied die Calvo-Gruppe, ihr bei der Entscheidungsfindung zu
helfen. Mitte Juni berief sie ein Treffen mit den Unternehmen der Region ein, in
der ihre Abfüllanlage arbeitet, und informierte sie über eine mögliche Verlegung
ihrer Operationen nach Nikaragua. Am folgenden Tag weigerte sich der
bereits erwähnte Miguel Ángel Peñalva gegenüber der Presse, diese Meldung
zu bestätigen, und erklärte, das Unternehmen warte vor einer Entscheidung noch
auf die Ergebnisse einer baldigen Unterredung mit dem Staatspräsidenten.
Wahrscheinlich wäre es für Calvo nicht so einfach, El
Salvador zu verlassen. In Spanien besteht seit 1990 die
spanische Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung (Compañía
Española de Financiación del Desarrollo - (COFIDES), eine mit
einer Mischfinanzierung ausgestattete Aktiengesellschaft mit dem
Auftrag, spanische Investitionen ”in Schwellen- oder
Entwicklungsländern“ finanziell zu fördern. In der Aufstellung der
von COFIDES finanziell geförderten Projekte, Stand: 31.
Dezember 2005, ist folgendes zu lesen: Land: El Salvador;
Firma: Luis Calvo El Salvador; Tätigkeitsgebiet:
Konservenindustrie; Spanische Gesellschaft: Luis Calvo Sanz;
Anfangsinvestition: 52,60 Mio. Euro. Würde man so einfach von
einem begünstigten Land zu einem anderen wechseln können? |
Entweder fand das
Gespräch nicht statt oder die Ergebnisse blieben hinter den Erwartungen zurück;
jedenfalls erklärte das Unternehmen in einer Pressemitteilung vom 26. Juni: “Angesichts
der durch das APS+ geschaffenen Zollunsicherheit im Land muss die Calvo-Gruppe
zu ihrem Bedauern ihre Tätigkeit in El Salvador auf die Hälfte senken. Damit
wird eine Schicht entlassen, insgesamt 600 Arbeitsplätze, vor allem Frauen (!).
Diese Entscheidung ist dem Unternehmen nicht leicht gefallen, aber es gab keine
Alternative”.
Doch statt sich
einschüchtern zu lassen ging die salvadorianische Rechte in die Gegenoffensive
über. “Dann sollen sie doch gehen”, erklärte der ARENA-Abgeordnete
und älteste Sohn des Parteigründers, Roberto D’Aubuisson, andere
Unternehmen wie Dell aus den Vereinigten Staaten hätten mehr und
bessere Arbeitsplätze geschaffen. Die konservative Zeitung El Diario de Hoy
meinte, “die Erpressung [der EU] zu akzeptieren käme einer Übergabe
der Staatsgeschäfte an die rückständigsten und gewalttätigste Kräfte gleich”,
und so schmerzlich ein Rückzug von Calvo auch sei, “man darf die
Auflagen zugunsten der Gewerkschaften nicht hinnehmen“. Ein weiterer Gegner
der Unterzeichnung der Übereinkommen, der ARENA-Abgeordnete Norman
Quijano, äußerte sich folgendermaßen: “Die Arbeitsplätze verschwinden,
wenn wir politische Instabilität schaffen; sie verschwinden, wenn es zu
gewalttätigen Demonstrationen auf der Straße kommt“. Der Arbeitsminister,
José Roberto Espinal, kommentierte: “Ich respektiere die Entscheidungen
der Firma, und wenn sie getroffen werden, muss man mit ihnen fertig werden. Die
Regierung wird analysieren, wie viele der von Calvo in der Stadt La Unión
geschaffenen Arbeitsplätze anderweitig genutzt oder in neue Investitionen
integriert werden können“. Und der Europa-Abgeordnete für die spanische
PP, Daniel Varela Suanzes, stellte den Antrag, das Europäische
Parlament möge die Fristen für die Ratifizierung der IAO-Übereinkommen
durch El Salvador verlängern. Ergänzend meinte er, ein Ausschluss El
Salvadors aus dem APS+ “käme einer wirtschaftlichen Katastrophe
für das Land und die spanischen Unternehmen gleich, die wie im Fall der
Konservenanlage der Calvo-Gruppe, dort investiert haben“.
Der
Auftritt des Prinzen
von
Bourbon und Griechenland
An diesem Punkt
entschieden einige Spanier, dass es wohl an der Zeit sei, schweres Geschütz
aufzufahren, womit mehr oder weniger verschleiert damit begonnen wurde, mehr
oder weniger offiziell Druck auszuüben.
Am 9.
Mai unterzeichnete
Spanien eine Vereinbarung, mit der der Zentralamerikanischen Bank für
wirtschaftliche Integration (BCIE) 40 Mio. Euro für Umweltprojekte in
Zentralamerika zur Verfügung gestellt wurden. Obwohl die BCIE ihren
Sitz in Tegucigalpa (Honduras) hat, wurde die Vereinbarung in
San Salvador im Beisein des Prinzen Felipe unterzeichnet, der es sich
auch nicht nehmen ließ, dort das spanisch-zentralamerikanisch-panamenische
Unternehmerforum zu eröffnen. In seinem Verlauf wurden die Möglichkeiten für
spanische Investitionen in der Region analysiert, wobei der Thronfolger die
Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen hevorhob, durch die Spanien zum
wichtigsten Handelspartner und Investor der EU in der Region geworden
sei, und betonte, dass alleine im vorher gehenden Jahr (2005) der Güteraustausch
auf 1324 Mio. Dollar
gestiegen sei.
Man muss kein
Fachmann für Diplomatie sein, um die Bedeutung der Botschaft seiner Majestät an
die salvadorianische Regierung im Klartext zu verstehen: Schaut was alles auf
dem Spiel steht! Macht keinen Ärger!
Nach dem Treffen
mit den Unternehmern flogen Prinz Felipe und Staatspräsident Tony Saca
im Hubschrauber zum Golf von Fonseca und besuchten das Thunfisch-Werk der
Calvo-Gruppe. Niemand wird so naiv sein zu glauben, dass die Beiden sich
für die Zerkleinerung der Thunfische interessierten; vielmehr ist anzunehmen,
dass der Besuch eine klare Botschaft enthielt und dazu dienen sollte, einen
Ausweg aus den Schwierigkeiten des spanischen Konservenherstellers zu finden.
Die Vereinbarungen zwischen den drei Parteien sind geheim, doch obwohl wir
keinen Zugang dazu haben, lässt sich ihre Bedeutung aus den Spuren der Akteure
unschwer erschließen.
Mai 2006: Prinz Felipe und
Tony Saca
während des Besuchs der Fabrik
von Calvo in El
Salvador |
Im August 2006
ratifizierte schließlich das Parlament die vier IAO-Übereinkommen.
Alles schien zur Normalität zurückzukehren, bis die Beschäftigten von Calvo
sechs Monate später – schon 2007 – zur Überzeugung gelangten, es sei an der
Zeit, die Übereinkommen umzusetzen, und versuchten, eine Gewerkschaft
aufzubauen. Das Unternehmen reagierte sofort und mit aller Härte. Im Februar
wurde die Kollegin Berta Menjivar, Gewerkschaftsmitglied und Frau des
Generalsekretärs, entlassen. Im März wurden dann José Joaquín Reyes,
Sekretär des Gewerkschaftsvorstands für die Beziehungen zu anderen
Organisationen, und der Sekretär für soziale Angelegenheiten, Roberto
Hernández, entlassen. Während die Kündigungen mittlerweile die Gerichte
beschäftigen, weigert sich das Unternehmen, die Rechtmäßigkeit der Gewerkschaft
anzuerkennen, obwohl die Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen
dem Arbeitsministerium vollständig übergeben hatten.
Damit ist klar,
dass die Calvo-Gruppe sich nur aus kommerziellen Gründen für die IAO-Übereinkommen
interessierte und weder früher noch heute daran gedacht hat sie einzuhalten.
Nachdem Calvo sich nachdrücklich für die Ratifizierung der Übereinkommen
stark gemacht hat, ist es ein Skandal, dass die Firma jetzt ihre Umsetzung
verweigert. Daran beteiligt sind – wie wir hoffentlich gezeigt haben – die
salvadorianische Regierung, die Regionalregierung von Galizien, Prinz
Felipe, die spanische Regierung, die EU und die IAO. (+
info)
Epilog (erste
Fassung)
Vor
kurzem weigerte sich die Firmenleitung in El Salvador, die Vertreter der
UITA und des spanischen Dachverbands Comisiones Obreras zu
empfangen.
“Darüber haben wir schon in Spanien gesprochen”, erklärten sie; ob
aus Feigheit oder Arroganz, wissen wir nicht. Die Beamten des
Arbeitsministeriums schauen weg, während die Polizei der Firma weiter zu
Diensten steht und bereit ist, jedes Anzeichen von Protest zu unterdrücken.
So lange die
Calvo-Gruppe jede Erklärung verweigert und die IAO-Übereinkommen
weiterhin nicht umgesetzt werden, haben wir das Recht und die Pflicht, über die
Ereignisse zu berichten und sie zu interpretieren. Auf der Grundlage der wieder
gegebenen Ereignisse wagen wir zu behaupten, dass es sich um eine Abmachung
handelt, bei der beide Seiten gewonnen haben. Einerseits akzeptierte die
Regierung die Ratifizierung von Übereinkommen ohne irgendwelche politischen
Konsequenzen, da sich die Calvo-Gruppe dazu verpflichtete, sie in ihrem
Werk nicht umzusetzen. Andererseits kann das multinationale Unternehmen
weiterhin zum Null-Tarif in die EU exportieren und sich dazu billiger
Arbeitskräfte bedienen, da das Arbeitsministerium und die Polizei die Bildung
einer Gewerkschafsorganisation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
verhindern.
So weit diese
Geschichte, die noch längst nicht zu Ende ist.
Enildo Iglesias
und Gerardo Iglesias
©Rel-UITA
31. Mai 2007
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UITA - Secretaría Regional
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