Spanien

 

Mit Sebastián Serena, UGT Spanien

Der Handel ist das Hauptproblem

Die Einheit der Arbeiter ist fundamental, um der aktuellen Entwicklung auf dem internationalen Milchsektor entgegenzutreten.

 

Im Vorfeld der Internationalen Konferenz der IUL/UITA sprach Sirel mit dem Sekretär für Industriepolitik des Bundes der Beschäftigten der Landwirtschaft in der spanischen UGT (FTA-UGT), Sebastián Serena, um die Lage des Milchsektors in Spanien kennenzulernen und sich über die Erwartungen an die Konferenz zu informieren.

 

-Wie ist die derzeitige Lage des spanischen Milchsektors?

-Um einen Überblick über die aktuelle Lage geben zu können, müssen wir uns in Erinnerung rufen, was in den vergangenen Jahren geschehen ist. Tatsächlich bereitet uns in Spanien der Milchsektor grosse Sorgen, angefangen bei der Milcherzeugung bis hin zur eigentlichen Industrie.

 

Seit 2007 verschärft sich die Krise des Milchsektors zunehmend, was zu einer immer schwierigeren Situation führt. Seit damals sind wir in der Europäischen Union insgesamt, aber auch in Spanien Zeugen eines äusserst harten Preiskriegs bei der Milch.

 

Dieser Krieg geht auf die sogenannte Milchquote in den EU-Ländern zurück, die mit dem Ziel eingeführt wurde, den Sektor zu „regulieren“. Also wurde 2007 festgelegt, dass Spanien jährlich maximal 6 Milliarden Tonnen Milch erzeugen darf. In unserem Land allein werden jedoch jährlich 9 Milliarden Tonnen konsumiert, also drei Milliarden mehr, wodurch sich bei der Milcherzeugung ein Schwarzmarkt gebildet hat, die Milch kommt illegal auf den Markt, was zu einem Verfall der Erzeugerpreise und daraufhin zu grossen Verlusten für die Erzeugerbetriebe geführt hat.

 

Um die Problematik in diesem Bereich noch einmal zu verdeutlichen: 1997 lag der Erzeugerpreis der Milch bei 0,30 Euro; 2007, also ein Jahrzehnt später, war er nur um 0,04 Euro gestiegen, was die Stagnation des Erzeugerpreises deutlich macht. Radikal anders ist jedoch die Lage, wenn es darum geht, wieviel die Verbraucher für die Milch bezahlen müssen, denn 2007 stiegen die Preise in vier Monaten um 30 Prozent.

 

Der Sektor steht daher vor dem Problem, wie er mit dem gewaltigen Gefälle zwischen dem Erzeugerpreis und dem Preis, den die Verbraucher für das Produkt bezahlen, umgehen soll; dieses Gefälle verdeutlicht, dass sich die Gewinne im Wesentlichen zu Lasten von Erzeugern und Verbrauchern beim Handel konzentrieren.

 

-Um wen handelt es sich beim Zwischenhandel in Spanien?

-Vor allem um die grossen Vertriebsketten wie Carrefour – um nur ein transnationales Unternehmen zu nennen – sowie unter anderem die spanischen Firmen Eroski und Mercadona.

 

-Hat diese Situation zu einer Reduzierung der Erzeugerbetriebe sowie der Arbeitsplätze in der Milch verarbeitenden Industrie geführt?

-Bis 2008 gab es 24.000 Milchbetriebe in Spanien, die direkt und indirekt 200.000 Arbeitsplätze schufen. Nach jüngsten Erhebungen ist die Zahl der Beschäftigten in der Produktion und in der Industrie seitdem um 2.825 zurückgegangen.

 

Konzentration und ausländisches Kapital im Sektor

 

Ein weiteres Phänomen ist der Konzentrationsprozess des Milchsektors in wenigen, meistens ausländischen Händen.  

 

Vor Kurzem wurde mit Leche Puleva eine der wichtigsten Firmen dieses Sektors in Spanien zum Kauf angeboten; sie wird höchstwahrscheinlich vom französischen Unternehmen Lactalis übernommen, trotz des Angebots, das vor einigen Tagen die mexikanische Gruppe Lala, die den mexikanischen Markt für Frischmilch zu 60 Prozent beherrscht, gemacht hat.

 

Daran wird der Umstrukturierungsprozess deutlich, der auf eine Konzentration in wenigen Unternehmen herausläuft, die folgerichtig zum Verlust von Arbeitsplätzen führen wird.  

 

-Wie geht der Landwirtschaftsbund mit dieser Situation um?

-Nach mehreren Verhandlungsrunden mit der spanischen Regierung wurde zwischen Unternehmen und Erzeugern eine Vereinbarung getroffen, die die Festsetzung eines festen Grundpreises für die Milch vorsieht, um so den Erzeugerpreis zu regulieren. Die Ergebnisse sind bisher positiv, da diese Massnahme den Erzeugern eine verlässlichere Planung ihrer Ausgaben und Erlöse ermöglicht.  

Der Sektor steht daher vor dem Problem, wie er mit dem gewaltigen Gefälle zwischen dem Erzeugerpreis und dem Preis, den die Verbraucher für das Produkt bezahlen, umgehen soll; dieses Gefälle verdeutlicht, dass sich die Gewinne im Wesentlichen zu Lasten von Erzeugern und Verbrauchern beim Handel konzentrieren.

 

Eine weitere in Spanien ergriffene, allerdings aus Italien übernommene Initiative geht auf die Entscheidung einiger Erzeuger zurück, den Zwischenhandel so weit wie möglich auszuschalten. Die Initiative sieht vor, ihre Frischmilchproduktion über Verkaufsautomaten in Stadtteilsupermärkten anzubieten. Diese Modalität wird in Spanien unserer Ansicht nach weiter zunehmen.

 

Gleichzeitig muss jedoch klargestellt werden, dass der Bund der Beschäftigten in der Landwirtschaft nicht etwa die Erzeuger vertritt, sondern die bei ihnen angestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Obwohl wir also unterschiedliche Interessen vertreten, gehören wir derselben Dachorganisation UGT an und haben damit gemeinsame Interessen. In diesem Fall teilen wir die Erwartung der Kollegen vom Bund kleiner Landwirtschafts- und Viehzuchtbetriebe (UPA), dass den Erzeugern ein fairer Milchpreis als Garantie für ihr Überleben und den Fortbestand der Viehzucht gezahlt wird und in der Folge die Arbeitsplätze im Sektor erhalten bleiben.

 

-Welchen Einfluss haben die No Name-Produkte auf den spanischen Milchsektor?

-Sie haben eine grosse Bedeutung für den Markt. Die Präsenz dieser Produkte hat sich zunehmend bis auf einen Verkaufsanteil von knapp 5 Prozent erhöht.

 

Bei Speiseeis halten die No Name-Produkte 60 Prozent des Markts, bei frischer Milch liegen sie bei 51 Prozent. Damit war sicherlich eine Innovation in der Milchindustrie verbunden, es wurden aber keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen, während die Arbeitnehmerrechte und Beschäftigungsbedingungen bei diesen Marken deutlich hinter denen bei Herstellern von Markenprodukten zurück liegen.  

 

Unsere Föderation möchte unter anderem erreichen, dass das zur Zeit bestehende Gefälle zwischen den Beschäftigten dieser Hersteller von No Name-Produkten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von Grossunternehmen wie Danone verschwindet. Daran arbeiten wir.

 

-Welche Erwartungen hast du an die Internationale Konferenz des Milchsektors der IUL/UITA?

-Zunächst einmal bin ich persönlich sehr dankbar dafür, zu einer Veranstaltung dieser Grössenordnung eingeladen worden zu sein, die meiner Ansicht nach den Arbeitern aus aller Welt die Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch über ihre Probleme bieten wird, aber auch die Chance, gemeinsame Lösungen dafür auszuarbeiten.

 

Die Konferenz wird mit Sicherheit eine Bereicherung für uns sein, denn für uns als Gewerkschaftsorganisation ist es sehr wichtig, das Verhalten der spanischen Unternehmen in Lateinamerika zu beobachten und gleichzeitig den Kollegen dieses Kontinents als Anlaufstelle zu dienen.

 

  

Amalia Antúnez, Montevideo

Rel-UITA

4. März 2010

 

 

 

 

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