Kolumbien  

Schreiben von CUT und CTC an die ILO  

Angesichts der möglichen erneuten Streichung Kolumbiens von der Liste der Länder, die Gewerkschafts- und Menschenrechte verletzen

 

 

 

 

 

Herrn

JUAN SOMAVIA

Generaldirektor der ILO

 

Herrn

GUY RYDER

Exekutivdirektor für Normen, grundlegende Prinzipien

und Rechte bei der Arbeit

 

Frau

CLEOPATRA DUMBIA

Leiterin der Abteilung

Internationale Arbeitsnormen

 

Mitglieder

des Expertenausschusses für die Überwachung der Umsetzung

der ILO-Übereinkommen und Empfehlungen

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

seit über 20 Jahren wird Kolumbien in den Berichten des Expertenausschusses für die Überwachung der Umsetzung der Übereinkommen und Empfehlungen beobachtet. Dieser Bericht bildet die Grundlage für die Diskussion der 25 Fälle, die jedes Jahr im Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz der ILO der Normenkommission vorgelegt werden; deren Aufgabe ist es, die Umsetzung der von den vor die Kommission geladenen Staaten ratifizierten Übereinkommen in deren Gesetzgebung und in der Praxis zu überprüfen.  

 

Die Kommission hat seit 1990 die schweren gewerkschaftsfeindlichen Gewaltakte und die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Gewerkschafter sowie die massive Verletzung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit, auf Kollektivverhandlungen und des Streikrechts in Kolumbien aufmerksam verfolgt.  

 

Der Ausschuss überwacht in zweijährigen Abständen die Grundsatzübereinkommen über freie gewerkschaftliche Betätigung (87 und 98). Einige Fälle sind jedoch so schwerwiegend, dass ihre Beobachtung auf Antrag des Normenausschusses oder der Experten jährlich in den Berichten erfolgt, wenn deutliche Unterschiede zur Gesetzgebung und/oder zur Praxis bestehen, auf die die Experten wiederholt hingewiesen haben. Aus beiden Gründen wurde im Fall Kolumbiens die jährliche Beobachtung beibehalten.

 

Für die Überprüfung 2010 haben die Experten die kolumbianische Regierung jedoch nicht um Information über die grundsätzlichen Übereinkommen zur Gewerkschaftsfreiheit gebeten, und sie haben darauf verzichtet, einen Bericht über diese Übereinkommen in ihren am 16. Februar 2011 veröffentlichten Jahresbericht aufzunehmen, obwohl die kolumbianische Regierung, die kolumbianischen Gewerkschaftsverbände, der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und die Internationale Arbeitgeberorganisation (IOE) Angaben zur Umsetzung der genannten Übereinkommen übermittelt hatten.

 

Dass der Expertenausschuss Kolumbien bei seiner Überprüfung nicht berücksichtigt und damit eine Debatte in der Normenkommission der nächsten ILO-Arbeitskonferenz verhindert, ist zumindest aus den folgenden Gründen unverständlich:

 

-   In den vergangenen 20 Jahren hat der Expertenausschuss durchgehend die Erfüllung des Übereinkommens 87 überprüft, wobei die meisten Beanstandungen nicht behoben wurden und bedeutende, seit Langem anhaltende Abweichungen der Gesetzgebung und der Praxis vom Übereinkommen bestehen blieben.  

 

-   Angesichts der Schwere der Lage entschied die 99. Konferenz, eine hochrangige Mission nach Kolumbien zu entsenden, was von der Regierung akzeptiert wurde, um so einer Debatte in der Normenkommission zuvorzukommen. Es erscheint nicht sinnvoll, dass die Normenkommission und das Internationale Arbeitsamt der Mission zustimmen, ohne einen Bericht und eine Debatte über die Erfüllung des Übereinkommens 87 auf der 100. ILO-Konferenz einzuplanen. Wer kann ohne Diskussion auf der ILO-Konferenz die weitere Beobachtung der Ergebnisse der hochrangigen Mission vornehmen, und wielange kann sie durchgeführt werden? Wenn ein Staat einer hochrangigen Mission zustimmt, ist es Rutine, dass deren Ergebnisse von der Normenkommission ausgewertet werden. Warum wurde in diesem Fall anders verfahren?

 

-   Sowohl bei der Verletzung des Veinigungs-, Verhandlungs- und Streikrechts als auch bei der Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche   Unversehrtheit von Gewerkschaftern ist die Lage hinsichtlich der Gewerkschaftsfreiheit weiterhin sehr ernst, und Kolumbien belegt immer noch mit deutlichem Abstand einen beschämenden ersten Platz. Dazu nur einige Angaben: 42 Empfehlungen zu Änderungen an der Gesetzgebung wurden nicht umgesetzt, die gewerkschaftsfeindlichen Praktiken von Regierung und Unternehmern stehen weiterhin der Ausübung des Vereinigungs-, Verhandlungs- und Streikrechts im Weg und erleichtern die Zerschlagung der Gewerkschaftsorganisationen, und die Beschäftigung unter prekären und manchmal an Sklaverei grenzenden Bedingungen stellen einen Dauerzustand dar, der das Recht auf eine menschenwürdige Arbeit und den Genuss der gewerkschaftlichen Grundfreiheiten untergräbt. In den vergangenen 25 Jahren wurden zudem 2860 Gewerkschafter getötet, weitere 218 wurden gewaltsam verschleppt und sind seitdem "verschwunden", und 2011 wurden bereits vier Morde verübt. Hinzu kommen 11000 weitere Gewaltakte gegen Gewerkschafter. Die Straflosigkeitsquote bei all diesen Verbrechen beträgt 98%.

 

-   Es ist uns unverständlich, wie Venezuela, Argentinien, Paraguay, die Philippinen, Bangladesh und Guatemala dieses Jahr wie schon seit vielen Jahren hinsichtlich der angesprochenen Fragen überprüft werden konnten und wie die  Experten 2010 ingesamt 75 Länder untersuchten, ohne dabei Kolumbien zu berücksichtigen.

 

In seinem Bericht begründet dies der Ausschuss damit, dass die Regierung einer Einladung der hochrangigen Mission nach Kolumbien zugestimmt habe und er jetzt auf die entsprechende Information der Regierung warte. Wie wir bereits dargelegt haben, kommen wir angesichts dieser Begründung zu einer anderen, gegenteiligen Schlussfolgerung: Die ILO hätte die weitere Beobachtung auf der Grundlage des Berichts vornehmen und über die Diskussion des kolumbianischen Falls in der Normenkommission eine öffentliche Debatte unter Beteiligung der drei Parteien über die Resultate der Mission ermöglichen müssen.

 

Angesichts dieser Situation kommen wir zu dem Schluss, dass das Internationale Arbeitsamt und der Expertenausschuss ihr Interesse an der Lage in Kolumbien verloren haben könnten. Noch schwerer wiegt jedoch vielleicht, dass auf Grund dieses Ausschlusses die normativen Kontrollmechanismen nicht mehr greifen, was seinerseits die Wirksamkeit anderer Massnahmen zur weiteren Beobachtung der Lage in Kolumbien schwächt.

 

Aus den genannten Gründen bitten wir im Namen der Gewerkschaftsverbände  Central Unitaria de Trabajadores (CUT) und Central de Trabajadores de Colombia (CTC) das Internationale Arbeitsamt und den Expertenausschuss um eine Erklärung zu diesem Thema, denn die im Bericht dargelegten Gründe machen es uns unmöglich, uns über die Arbeit der ILO und die Nachdrücklichkeit ihrer Lösungsversuche im Fall Kolumbiens Klarheit zu verschaffen.

 

Angesichts dieser Lage beantragen wir, dass die 100. Konferenz den Fall Kolumbiens auf der Grundlage der weiteren Beobachtung der Ergebnisse der hochrangigen Mission  behandelt und dem kolumbianischen Staat ausdrücklich die Annahme und Umsetzung von ernsthaften, wirksamen und baldigen Massnahmen zu Lösung der angesprochenen Fragen empfiehlt.

 

 

 

TARSICIO MORA GODOY

Vorsitzender CUT

MIGUEL MORANTES ALFONSO

Vorsitzender CTC

 

 

DOMINGO TOVAR ARRIETA

Generalsekretär CUT

 

 

ROSA ELENA FLEREZ

Generalsekretärin CTC

 

                                        

 CUT

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Telefax: 323 75 50/79 60

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Rel-UITA

21 de febrero de 2011

 

 

 

 

 

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