Argentinien

UTHGRA in Konflikt

Mehr Tourismus und mehr VIP-Einwanderer, aber keine Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen

 

Der Generalsekretär der Union der Beschäftigten des Tourismus-, Hotel- und Gaststättengewerbes (UTHGRA), José Luis Barrionuevo, hat “30 Prozent höhere Löhne für die Beschäftigten der Branche” gefordert und angekündigt, “in der kommenden Woche Unternehmen zu denunzieren, die Steuern und Sozialbeiträge hinterziehen“, gleichzeitig aber vom wachsenden Tourismus profitieren

 

 

Am Mittwoch dem 18. fand abends unter der Leitung des Gewerkschafters eine Delegiertenversammlung im Sitz der UTHGRA statt, in deren Verlauf er erklärte, dass “wir nach mehreren von uns durchgeführten Untersuchungen zur Wirtschafts- und Einkommensentwicklung eine 30-prozentige Erhöhung für dringend nötig halten“. Diese Forderung werde der Arbeitgeberseite zu Beginn der Verhandlungen formell vorgelegt.

 

Darüber hinaus erläuterte der Gewerkschafter und Parlamentsabgeordnete der peronistischen Partei (“Partido Justicialista”) SIREL gegenüber, dass “wir in den kommenden Tagen eine Liste von Firmen veröffentlichen werden, die nur halbe Tage bezahlen, obwohl ihre Beschäftigen bis zu 12 Stunden arbeiten“.

 

Im Einzelnen führte Barrionuevo aus, dass “die Gastronomiebetriebe, in denen ´halbtags´ gearbeitet wird und die die Zahlung von Beiträgen aller Art unterschlagen, vor allem in den exklusivsten und von Touristen am meisten besuchten Vierteln von Buenos Aires liegen, also in Puerto Madero, Palermo Hollywood und Las Cañitas. Nach seinen Angaben verfahren mehrere Firmen in der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, La Plata, einer Stadt mit zahlreichen Studenten, nach demselben Muster.

 

Nach Angaben des Gewerkschafters sind alle gesetzwidrig operierenden Unternehmen “identifiziert”; es gebe "58.000 Beschäftigte im ganzen Land, die unter den Bedingungen einer Halbtagstätigkeit ohne Beitragszahlungen angestellt sind“.

 

Auf die Frage dieses Journalisten, ob die Lohnfrage auch beim Gewerkschafts-Spitzengespräch am Mittwoch dem 18. im Sitz der UOCRA (Union der Beschäftigten des Baugewerbes) angesprochen worden sei, versicherte Barrionuevo: “Hugo Moyano hat ganz klar gesagt: In den paritätischen Kommissionen spricht jeder das an, was er bei seiner Organisation und ihren Mitgliedern für notwendig hält“.

UTHGRA fordert Lohnerhöhung

Buenos Aires, November 2005

 

Zur Frage, ob im Verlauf der genannten Sitzung eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns gefordert wurde, erklärte Barrionuevo, dass “vor einem erneuten Treffen mit dem Vorstand der CGT ein gut strukturierter Arbeitsplan vereinbart werden muss”.

 

An dem genannten Abend sei an diesem Plan gearbeitet worden. Nach Angaben des Generalsekretärs der UTHGRA wird der Plan nächste Woche im Detail vorbereitet, und erst dann findet eine Vorstandssitzung der CGT statt, “in deren Verlauf die Ergebnisse allen Arbeitnehmern des Landes mitgeteilt werden“.

 

Zur abschließenden Frage, ob er glaube, die geforderte Erhöhung um 30 Prozent erreichen zu können, meinte er: “Ich bin zuversichtlich, zumal die Unternehmer Dank des nationalen und internationalen Tourismus viel Geld verdienen, und wenn das so bleiben soll, müssen sie unsere Forderung akzeptieren".

 

Exponenzielles Wachstum des Tourismus

 

Kurz vor der Sitzung am Mittwoch dem 18. gab das Ministerium für Tourismus Barrionuevo Recht, als es mitteilte, alleine dieses Jahr hätten 600.000 Touristen das Land besucht, was gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum einer Zunahme um fast 20 Prozent entspricht.

 

Relevant ist dabei, dass die meisten Touristen aus den Vereinigten Staaten kommen, also aus einem Land ohne eine feste Zusammenarbeit mit Argentinien, die jedoch von Jahr zu Jahr besser wird, und dessen Besucher sehr zahlungsfähig sind.

 

Auf der Liste der Herkunftsländer der Touristen folgen sodann Brasilien und Chile, und an vierter Stelle Spanien, auch sie begehrte Reisende der internationalen Tourismus-Branche. Auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen äußerte sich der Minister für Tourismus, Enrique Meyer, zuversichtlich zu den Perspektiven für 2007 und hob die „Positionierung des Sektors im internationalen Vergleich hervor“.

 

Die neuen Einwanderer

 

Die Herkunft der Touristen ist eigentlich keine Überraschung. US-Bürger und Spanier stellen die meisten “neuen Immigranten”, die sogenannten „Expats“, in Argentinien. Diese kommen weder aus armen Ländern noch fliehen sie wie früher vor bewaffneten Auseinandersetzungen, Diktatur oder Hunger; sie kommen aus den USA und den wichtigsten europäischen Ländern und wählen Buenos Aires vor allem aufgrund seines Kulturangebots und wegen der Wechselkursvorteile.

 

Diese “VIP”-Einwanderer leben im Gegensatz zu unseren Großeltern nicht mehr in Pensionen, sondern in modernen, renovierten Häusern, vorzugsweise in den Stadtteilen San Telmo und Palermo “Soho” oder “Hollywood” (die Namen verweisen im ersten Fall auf das kulturelle Angebot und im zweiten auf die zahlreichen Filmproduktionsfirmen).

 

Dieser Trend hat ein solches Ausmaß angenommen, dass das Magazin Newsweek einen Artikel über Buenos Aires – The Capital of Cool – diesem neuen Migrationsphänomen gewidmet hat. Ein kurzer Spaziergang genügt, um einige dieser jungen und nicht mehr so jungen Leute zu treffen, Studenten, Schriftsteller, Künstler, Kinoproduzenten, während sie zum Supermarkt gehen oder den Bus oder die U-Bahn nehmen, dabei aber das Zehnfache eines durchschnittlichen Einwohners von Buenos Aires ausgeben. Zu keiner Zeit und an keinem Tag fehlt es den hunderten Restaurants von Palermo an Besuchern.

 

Dies alles widerspricht jedoch der Politik der Ausbeutung am Arbeitsplatz, die diese Betriebe ihren Angestellten gegenüber verfolgen. Und deshalb, wegen ihrer hohen Gewinne und der Nicht-Einhaltung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten, nehmen Barrionuevo und seine Gewerkschaftsorganisation gerade diese Restaurants ins Visier.

 Javier Amorin, Buenos Aires,

© Rel-UITA

20. April 2007

 

 

 

 

  

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